Der folgende Artikel wurde im Oktober 2018 veröffentlicht:
Es ist eine Geschichte über unterschiedliche Lebenswelten, über Vertrauen, über Unglaubliches und letzten Endes über mehr als nur eine Freundschaft. Auf Medienreise passieren so manche Kuriositäten. Eigentlich gilt: What happens on tour, stays on tour. Das folgende, ganz persönliche Erlebnis, möchte ich aber mit euch teilen.
Man hat nicht viel Freizeit während einer Medienreise. Schließlich sind wir Studierenden nicht im Urlaub, sondern auf einer Bildungsreise mit Unternehmensbesuchen, Workshops und Co. An unserem vorletzten Tag in Kapstadt, Südafrika, war jedoch Zeit für eine Tour nach Robben Island. Es handelt sich dabei um eine vorgelagerte Insel, auf der einst ein Gefängnis stand. Beeindruckend, spannend, ergreifend. So weit, so gut. Auf dieser Tour kamen manche unserer Gruppe ins Gespräch mit einem der Teilnehmenden: gute 1,80m groß, muskelbepackt und breit wie ein Body-Builder, weißer Trainingsanzug. Auf den ersten Blick nicht der größte Sympathieträger, dachte ich. Aber genau da hatte ich mich getäuscht – und zwar so sehr, wie selten in meinem Leben.
DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT / STUDIUM
#8 Welcome Mathias – ein kurioser Nachtrag zur Medienreise
Auf der Rückfahrt zum Festland kamen wir ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass er als Unternehmer in Johannesburg arbeitete und ursprünglich aus Uganda zugewandert war. Eines ergab das andere und schon stand die Frage im Raum: „Matthias, kannst du mir vielleicht mit einem Visum helfen, um Europa zu besichtigen.“ (Zum Hintergrund: Mit einem ugandischen Pass ist der Erhalt eines Visums schwer bis unmöglich, ohne zuvor von jemandem aus dem Schengen-Raum eingeladen worden zu sein.) Mein erster Gedanke, war: „Sicher nicht!“ Wir tauschten trotzdem Handynummern aus, denn schließlich kommt es selten vor, dass ich mich auf Anhieb mit jemandem so gut verstehe, und man irgendwie das Gefühl hat, man kenne sich schon deutlich länger als 45 Minuten gemeinsamer Bootsfahrt.
Wieder in Deutschland ließ mich die Geschichte nicht los. Ich telefonierte unzählige Male mit Medi, meinem neuen Bekannten, und er machte mir klar, dass er sich die Reise zwar leisten könne, aber bisher nie die Möglichkeit gehabt hätte, den afrikanischen Kontinent zu verlassen. Viele rieten mir ab, ein paar wenige befürworteten die Idee. Ich zögerte. Zweifelte. Aber was sollte mir schon passieren? Außerdem: „Der kommt sowieso nicht“, dachte ich. Also schrieb ich eine Einladung an die Deutsche Botschaft. Diverse WhatsApp-Sprachnachrichten und einige Telefonate später saß ich Mitte August morgens um 6:00 Uhr im Auto auf dem Weg zum Münchner Flughafen (München ist meine Heimat). Ich wollte ihn vom Flughafen abholen – er kam dann auch tatsächlich – und ich fragte mich auf der Hinfahrt ein letztes Mal, was ich da eigentlich tat.
Es begannen beeindruckende und unglaublich inspirierende drei Tage in München und Umgebung. Wir waren beide fast minütlich von der Kultur des anderen überrascht, belustig und beeindruckt. Er vielleicht noch ein bisschen mehr als ich, für ihn war es schließlich das erste Mal Europa. Wir verbrachten Stunden im Park, im Café, im Auto und unterhielten uns, beispielsweise über Investments und Unternehmensgründungen in Uganda und Südafrika. Wieso gibt es Menschen, mit denen man sich trotz komplett unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten so viel zu sagen hat? Liegt es daran, dass wir beide Unternehmer sind und extrem ähnlich denken? Liegt es daran, dass mich seine Geschichte vom Bananen verkaufenden Halb- und später Vollwaisen in Uganda hin zu einem erfolgreichen Selfmade-Geschäftsmann in Johannesburg ständig aufs Neue beeindruckte? Ich weiß es nicht. Es würde hier auch den Rahmen sprengen. Vor der Allianz Arena jedenfalls war es endgültig um seine Fassung geschehen. Es war sein München-Highlight, von dem er niemals dachte, es mit eigenen Augen sehen zu dürfen. Er war mir unendlich dankbar – und ich tankte daraus Energie, stellte fest, genau die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Am vierten Tag flog er weiter nach Paris, Madrid und Barcelona. Wir blieben ständig in Kontakt.
Jetzt, Ende September 2018, ist gerade sein zweiter Sohn geboren. Ich hatte erwähnt, wie dankbar mir mein neuer Freund war. Ihr dürft drei Mal raten, wie der kleine neue Südafrikaner mit ugandischem Papa heißt… genau: Mathias. Mit nur einem t, das sei eher üblich. Wenige Dinge machen mich wirklich stolz. Aber diese Story gehört definitiv dazu.
Welcome, Mathias, in der HMS-Familie!
Update vom 05. September 2023:
Seit Medis Reise nach Europa sind mittlerweile fast fünf Jahre vergangen. Doch es ist nicht bei dem einen Besuch geblieben. Medi war seit 2018 mehrfach wieder auf dem europäischen Kontinent. Er besuchte erneut die Stadt München, um seinen Freund Matthias zu treffen und die Allianz Arena nochmal zu sehen. Hinsichtlich seines Visums räumte man ihm zwar einen längeren Zeitraum ein, die Bedingungen an eines zu kommen, haben sich aber seither nicht geändert. Und so half ihm Matthias abermals, damit er nach Europa reisen konnte und dies auch zukünftig tun kann. Die beiden sind aber auch so ständig in Kontakt, hören sich fast wöchentlich. Medi lebt und arbeitet seit einigen Monaten in Dubai und ist dabei, ein neues Unternehmen zu gründen. Sein nächstes Treffen mit Matthias in Deutschland steht auch schon fest: Er hat in der Schule von der „Berlin wall“ gehört und möchte diese unbedingt sehen. Selbstverständlich im Winter, weil er noch nie Schnee gesehen hat. Matthias, dessen Vater damals aus der DDR geflohen ist, kann ihm viel zu Berlin und der Teilung Deutschlands erklären, worauf sich beide sehr freuen.
Wir freuen uns, dass durch die Medienreise 2018 nach Südafrika diese besondere Freundschaft – über Kontinente hinweg – entstanden ist. Und, dass die Reise für Matthias und Medi noch weiter geht. An dieser Stelle gehen ganz herzliche Grüße an Medi und seine Familie. Schön, dass ihr Teil der HMS-Familie seid!