Von der Idee zum Praxisprojekt zum Unternehmen: Zusammen mit ihrer neuen Geschäftspartnerin Vlada Mättig hat DJ-Alumna Tatiana Firsova, die gerade ihren Masterabschluss in "Digital Journalism" an der HMS absolviert hat, das Unternehmen "me|sober." gegründet. In diesem Blogpost schreibt sie über den Weg zum Start-up.
Alkoholfreier Lifestyle als Start-up: DJ-Alumna Tatiana über ihr Praxisprojekt
Im Januar 2019 habe ich, Tatiana Firsova, beim Seminar von Nils Grannemann als Thema für mein Praxisprojekt im Masterstudiengang "Digital Journalism" die Idee eines alkoholfreien Frauenblogs vorgeschlagen. Der Vorschlag war absolut spontan - denn eigentlich war ich mit einem anderen Exposé gekommen. Mein Text hieß „Eine Reportagen-Reihe: Ostdeutschland durch das Leica-Objektiv“ und widmete sich dem Thema 30 Jahre Mauerfall. Während des Seminars habe ich aber plötzlich, für mich selbst überraschend, meine Meinung geändert. Nun ist aus der damaligen Idee und Präsentation ein echtes Projekt geworden: Zusammen mit Vlada Mättig arbeite ich seit dem 15. November 2019 an unserem kleinen Unternehmen, das "me|sober." heißt und positiv über den neuen modernen Lifestyle des alkoholfreien Lebens berichtet.
Die Ideenfindung
Die Idee ist nicht einfach so entstanden. Als ich in London gelebt und gearbeitet habe, habe ich erfahren, dass es zu dem Thema „Frauen und Alkohol“ im englischsprachigen Raum ganz viele unterschiedliche Angebote gibt: Bücher, Veranstaltungen, Blogs, Kurse. Ich habe mich schlau gemacht und recherchiert: Es kam heraus, dass es auf Deutsch nur die offiziellen amtlichen Internet-Seiten dazu gibt, und einige Bücher zu dem Thema sind nicht richtig auf Frauen zugeschnitten. Wobei Frauen eine sehr wichtige Zielgruppe für all diese Angebote sind. Alleine zwei Fakten sind bereits ausreichend, um dies festzustellen: Frauenkörper haben mehr Fett und weniger Wasser als männliche, dadurch werden Frauen schneller betrunken; bereits bei geringerem Konsum steigt das Brustkrebsrisiko.
Für die Idee war diese Kenntnis aber nicht genug: In der modernen Zeit trinken ganz viele Leute bewusst keinen Alkohol mehr. Sie alle haben unterschiedliche Gründe, aber es ist so. Die bekannte Fotografin Herlinde Koelbl rät zum Beispiel davon ab, sich mit einem Glas Wein fotografieren zu lassen, im Kino sieht man ganz selten, dass geraucht wird, wenn es nicht um ein Retro-Film geht - wie etwa die bekannte amerikanische Serie „Mad Men": Da raucht und trinkt man fast jede Minute, dabei geht es um eine amerikanische Gesellschaft der 1960er.
Vlada und ich haben uns im Mai 2019 in Berlin getroffen. Wir haben uns dafür entschieden, ein Projekt über das moderne Leben ohne oder mit wenig Alkohol aufzubauen und damit einen neuen positiven Kult zu fördern. Vergleichbare Produkte gab es damals auf dem deutschen Markt noch nicht. Mittlerweile wird das Spektrum von solchen Angeboten jedoch immer breiter, dieser Markt wächst in Deutschland sehr schnell. Wir sehen uns aber immer noch als Vorreiterinnen - und gehören auch tatsächlich dazu. Dadurch, dass ich aus Moskau komme und Vlada dort geboren wurde, planen wir in der Zukunft unsere Tätigkeit um den russischen Markt zu erweitern.
Die Botschaft
Unsere Botschaft ist klar: Alkohol ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der europäischen Gesellschaft, obwohl Alkohol nach dem Verzehr in Summe betrachtet und heruntergebrochen eher wenig positive Eigenschaften mit sich bringt. Bis heute wird der übermäßige Alkoholkonsum unserer Gesellschaft nur sehr wenig bis gar nicht in Frage gestellt und wenn, dann nur oberflächlich, heimlich und hinter verschlossenen Türen. Wer keinen Alkohol trinkt, hat entweder ein Problem, ist schwanger oder nimmt Medikamente.
Es gibt viele Menschen, die kein oder wenig trinken. Die fallen immer auf. Aber sollte es nicht eigentlich andersherum sein? Sollte Nichttrinken nicht das Normalste auf der Welt sein? Sollte es nicht eigentlich der natürliche Zustand sein, auf eine abhängig machende Substanz zu verzichten? Nichtraucher_innen stellen wir doch üblicherweise auch nicht die Frage, weswegen sie eigentlich aufgehört haben zu rauchen, und bemitleiden sie ein wenig.
Diesen gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema wollen wir mit "me|sober." ändern. Wir wollen den alkoholfreien Lifestyle zu einem neuen Trend machen, denn ohne Alkohol bedeutet nicht gleichzeitig ohne Spaß und Freude. Ganz im Gegenteil: Wir wollen zeigen, dass das Leben ohne beziehungsweise mit wenig Alkohol genauso normal, lebenswert und machbar ist, wie der vegane Lebensstil oder das Nichtrauchen. Wir wollen uns nicht immer wieder erklären müssen, weswegen wir keinen Wein oder kein Bier trinken. Wir wollen, dass Nichttrinken genauso locker akzeptiert wird, wie Trinken. Wir sind uns sicher: das ist der Lifestyle der Zukunft.
Die Umsetzung
Das Projekt haben wir am 15. November 2019 gelauncht, vorab haben wir uns noch Zeit für ein Coaching genommen. Zu unseren Plattformen gehört die Internet-Seite www.mesober.com, ein Instagram- und ein Facebook-Account. Zu unseren Aktivitäten zählen Interviews – Anfang nächsten Jahres veröffentlichen wir unsere zwei großen Beiträge dieser Art: das Gespräch mit der Gründerin von der britischen Community Club Soda UK, Laura Willoughby, die sehr auf der englischsprachigen sogenannten Sobriety-Scene bekannt ist, und das Interview mit der Schauspielerin Muriel Baumeister, daran arbeiten wir noch. Wir schreiben Features und veröffentlichen Gastbeiträge, die für uns bekannte Bloggerinnen schreiben. Wir beantworten die Fragen, die Leute über Alkohol haben, und testen alkoholfreie Getränke: Zurzeit gibt es auch auf dem deutschen Markt genug alkoholfreie Biersorten, Weine, Sekte und sogar Gins.
Zu unseren Plänen gehören eine Podcast-Reihe und einige Motivationskurse, damit fangen wir bereits im Januar an. Wir planen Buchvorlesungen, Community-Events und vieles mehr. Unsere Community ist sehr aktiv und kommunikativ, deswegen sind wir sicher: Wir sind auf dem richtigen Business-Weg mit unserem Projekt.
In der Vergangenheit hat Alkohol immer zum coolen Lifestyle gehört. Das haben wir alle unser ganzes Leben im Kino beobachten dürfen: James Bond trank Wodka-Martini und sah dabei cool und stark aus. Carrie Bradshaw trank Cosmopolitan. Bridget Jones trank alles Mögliche und wir lieben sie, so wie sie ist.
Heute sieht die Situation anders aus. Viele Menschen verzichten bewusst auf Alkohol und sie haben die unterschiedlichsten Gründe dafür. Alkohol ist kein Zeichen der Stärke mehr, sondern ganz im Gegenteil. Diese bewusste Veränderung finden wir gut. Wir glauben, dass die Rollenbilder, die uns in der Werbung und im Kino jahrelang vermittelt wurden, unser Leben stark beeinflusst haben.
Früher wurden Vegetarier_innen und Veganer_innen auch belächelt, wie zum Teil Menschen heute, die auf Alkohol verzichten. Mittlerweile finden wir Bio-Märkte an jeder Ecke. Wir können uns gut vorstellen, dass James Bond in zehn Jahren keinen Wodka-Martini mehr trinkt, sondern zum Mocktail greift. Er wird dem Trend folgen müssen, den wir gemeinsam setzen werden, und es wird ein revolutionärer Imagewechsel sein.