Mitten in der Pandemie kündigte Alexandra Franz, Teilnehmerin des 2. Fellowships an der Hamburg Media School, ihre unbefristete Anstellung beim Burda Verlag. Ihr neuer Arbeitgeber: die Business Women‘s Society – ein kleines Start-up, das gerade nicht wirklich Geld verdient und sich für mehr Solidarität unter Frauen einsetzt. Eine ganz doofe Idee? So lief für Alexandra der Neustart – ein kurzer Bericht.
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Dubai oder: Wo der Feminismus endet – und unsere Reise beginnt
Mein Blick schweift kurz aus dem Fenster des Glasgebäudes im 22. Stock. Vor mir liegt die Skyline der Marina von Dubai – und meine neue Kamera. Von der Lumix hatte ich als Video Editor beim Verlag immer geträumt. Doch das Budget wurde in fünf Jahren nie freigegeben.
Innerlich schüttele ich noch immer selbst mit dem Kopf über mich. Ich hatte es wirklich getan: Einfach während der Pandemie meine Festanstellung bei einem großen Verlag aufgegeben (Kommentar meiner Mutter: „Nicht dein Ernst?! Naja, du kannst jederzeit wieder bei uns wohnen.“). Dann war ich einfach nach Dubai gereist, um mit dem neuen Team einen möglichen Investor zu treffen. Nervliche Unterstützung bekam ich dabei von meiner Fellowship-Mentorin Maja Weber – thanks. Und von meiner Friseurin. Sie hatte im Sommer gesagt, während sie mir die Strähnchen setzte: Die Ladys von der Business Women‘s Society MUSST du kennenlernen. So kam ich zu meinem neuen Job. Heute arbeite ich als Head of Content für dieses Netzwerk. Den Titel hatte ich mir quasi selbst ausgesucht. Genau wie die 4-Tage-Woche.
Wir haben alle Hunger und inhalieren möglichst unauffällig die Nüsschen, die auf dem Hochglanztisch in diesem super schicken Büro vor uns stehen. Immer wieder wird die Schale gefüllt von einer der Angestellten, die hier alle aussehen wie Models. An Abendessen ist noch lange nicht zu denken. Denn nach fünf Stunden wird Thaddaeus Koroma (Youtuber, Unternehmer, Coach und Selfmade Millionär. Seine Insta-Seite heißt „From Broke to Boss“). gerade erst warm. Die letzte Nacht hat er durchgearbeitet – und ist trotzdem fitter als wir alle zusammen. Erst wenn unsere Wunschkundin und der Fahrplan für die nächsten Monate steht, werden wir diesen Raum wohl verlassen dürfen.
Ich hatte vorher gezögert, ob ich diese Reise überhaupt antreten sollte. Mein journalistisches Ego fand es mehr als bedenklich. Dubai – das Land der Influencer*innen und Steuerflüchtlinge. Und das Land, das nicht gerade für Frauenrechte bekannt war. Thilo Mischke bezeichnete diesen Ort kürzlich in seinem Podcast als „Krebsgeschwür des Kapitalismus“. Nun lerne ich gefühlt mehr an einem Tag als im Großkonzern in den letzten Jahren. Aber warum eigentlich? Mein Team bei Burda war großartig und ich vermisse meine Kolleginnen jeden Tag. Trotzdem scheiterten wir täglich an den Strukturen. Die Ursache? Ego.
Das Ergebnis: Heute hört die Welt Lena, Lisa und Bibi zu – und wir können es nicht verstehen. Die Lösung aus dem Dilemma? Haben wir Fellows bereits im Seminar „Design Thinking“ gelernt: Wir müssen wieder lernen richtig zuzuhören und nicht immer nur senden. Wie oft hatte ich beim Burda Verlag gehört „unsere tollen Marken“… Thaddaeus würde nie mit abstrakten Marketing-Profilen a la „Wilma wissbegierig“ arbeiten. Er fragt lieber seine Neffen, was ihnen den Atem raubt und seine Nichte, warum sie bei einem bestimmten Produkt Freudentränen weint. Bei jedem zweiten Satz fühle ich mich ertappt. Wie oft schon hatte ich bereits als Praktikantin fürs Fernsehen Interviews geführt, bei denen die Antwort bereits vorab vom Chefredakteur festgelegt wurde… Am Ende unserer Dubai-Reise weiß ich genau, für wen ich ab sofort morgens aufstehen werde. Nicht für mich. Warum? „Wenn du ein Produkt machst für dich – dann zahlst du. Wenn es für die anderen ist, dann zahlen sie dich.“ Das erklärt uns Thaddaeus, während es draußen längst dunkel geworden ist und der bunte Glitzer der anderen Hochhäuser mein Auge überfordert. Was für ein Irrsinn, dass ich für diese Erkenntnis in eine unfassbar reiche Schein- und Scheichwelt in der Wüste fahren musste, in dem Ego-Träume auf Sand gebaut werden.
Alexandra Franz arbeitet seit Mai 2021 als Head of Content & Production für das Frauennetzwerk Business Women’s Society. Zuvor war sie fünf Jahre lang bei der Zeitschrift InStyle als Online Editor und Video Editor tätig. Sie ist Teilnehmerin des aktuellen Jahrgangs vom Digital Journalism Fellowship.