HMS - BLOG

WEITERBILDUNG / MEDIA INNOVATION PROGRAM

DJF: Fünf Fragen an... Ellen Heinrichs

DJF Ellen Schuster gross

Ellen Heinrichs ist Leiterin des Digital Programming bei der Deutschen Welle und maßgeblich am digitalen Wandel der DW beteiligt. Ihr besonderes Interesse gilt Themen wie Innovations- und Wissensmanagement sowie dem konstruktiven Journalismus. Ellen arbeitet seit ihrer Schulzeit als Journalistin. Sie begann ihre Karriere als freie Mitarbeiterin bei der Rheinischen Post. Danach folgte die Arbeit in Presseabteilungen internationaler Organisationen, bis sie zur DW kam. Ellen Heinrichs ist neben ihrer Beiratstätigkeit für das Digital Journalism Fellowship auch im Arbeitskreis aktiv.


Du bist Leiterin des Digital Programming bei der Deutschen Welle. Wie sehen deine Aufgaben aus?
Ich arbeite mit meinem kleinen Team im Stab der Programmdirektorin der Deutschen Welle. Nachdem digitale Technologien und deren Bewertung und Integration in unsere Arbeitsabläufe jahrelang im Mittelpunkt unserer Arbeit gestanden haben, konzentrieren wir uns derzeit vor allem auf Themen wie Wissenstransfer und Kommunikation als Treiber für Innovation und Kulturwandel. Dadurch, dass unsere Redaktionen Journalismus in 30 verschiedenen Sprachen und für unfassbar viele Plattforme machen, ist mein Arbeitstag sehr abwechslungsreich.

Warum ist gerade das Thema Wissenstransfer so wichtig für euch? Und was hat das mit digitaler Innovation zu tun?
Aus meiner Sicht ist es zu kurz gesprungen, Digitalisierung vor allem als Technologiethema zu begreifen und darauf zu setzen, mit der Einführung digitaler Tools den Sprung in die neue Ära schon irgendwie zu schaffen. De facto geht es doch darum, dass unser Umfeld um ein Vielfaches komplexer geworden ist und sich Veränderungen permanent und in höchster Geschwindigkeit vollziehen. Nur Medienhäuser, die darauf angemessen reagieren können, werden weiterhin relevant bleiben. Und angemessen reagieren können wir eben nur dann, wenn wir das Wissen, das in den einzelnen Köpfen steckt, für möglichst viele im Unternehmen verfügbar machen. Die Intensivierung des Wissensaustauschs gehört mittlerweile zu unseren strategischen Unternehmenszielen, und das ist genau richtig so.

Was sind eure größten Herausforderungen?
Das sind ähnliche Herausforderungen, wie sie viele in der Branche zu meistern haben: vor allem der Übergang von linearen zu digitalen Distributionswegen. Daran hängen ja unzählige Prozesse, die auf den Prüfstand gestellt und angepasst werden müssen. Unsere Mitarbeiter*innen in Redaktionen und Produktion müssen permanent lernbereit sein: Leute, die früher Fernsehen gemacht haben, produzieren jetzt für YouTube. Ehemalige Radio-Redakteur*innen setzen sich mit Themen wie Community Management und Datenanalysetools auseinander. Und auch die Technik-Kolleg*innen haben es mit einer ganz anderen Veränderungsgeschwindigkeit zu tun, als noch im analogen Zeitalter. Das geht nicht immer ohne Schmerzen, aber ich nehme wahr, dass die meisten darin auch eine große Chance sehen. Das sieht man etwa sehr schön beim Thema Human Language Technology, wo Redaktion und Technik gemeinsam daran arbeiten, Künstliche Intelligenz für unsere Angebote nutzbar zu machen.

Was sind für dich die wichtigsten Innovationen im Journalismus, die den digitalen Wandel möglich machen?
Das Internet?! Nein, Scherz beiseite. Für mich sind es vor allem die Menschen, die Wandel vorantreiben. Ein Tool alleine löst noch kein Problem. Klar, die neuen Technologien bieten uns unendlich viele neue Möglichkeiten. Aber was wir daraus machen, wie wir sie in unsere Unternehmensstrategie einbetten – das alles sind immer noch Entscheidungen, die Menschen treffen und umsetzen. Nach einer gewissen Technologie-Euphorie in den Anfangsjahren ist heute klar, wie wichtig es ist, sich zu fokussieren und auch mal Nein zu sagen. Trotzdem haben wir natürlich weiterhin ein waches Auge etwa auf neue Plattformen wie TikTok, Technologien wie Blockchain oder auch das Aufkommen von Deepfakes, an deren technischer Verifikation wir gemeinsam mit internationalen Partnern arbeiten.

Ganz allgemein gedacht: Wo sollten Redaktionen in puncto Digitalisierung und Innovation noch nachlegen?
Wir müssen verstehen, dass unsere Nutzer*innen durch die Digitalisierung eine wesentlich größere Selbstwirksamkeit erleben. Denken sie Verbraucherbewertungen und ihre Marktmacht, denken sie an Soziale Netzwerke, und die Sichtbarkeit, die sie einzelnen Menschen verleihen können. Das ist eine gravierende Verschiebung innerhalb unserer Gesellschaft, und die hat natürlich Auswirkungen auch auf unsere Branche. Die wenigsten Menschen wollen die Welt heute noch von oben herab erklärt bekommen. In einer Zeit, in der Informationen kein knappes Gut mehr sind, verlangen sie nach journalistischen Produkten, die sie auch wirklich brauchen. Doch in vielen Bereichen der Medienwelt ist die dafür erforderliche Produktdenke und Fokussierung auf Nutzerbedürfnisse noch nicht wirklich ausgeprägt. Das muss sich ändern, wenn wir wollen, das Menschen gerne Geld für Journalismus ausgeben – sei es für Rundfunk- oder Abo-Gebühren.