Oldie but Goldie: Andreas Wrede im Interview mit unserem Oscargewinner Ilker Çatak über seinen Film „Sadakat - Fidelity“, der 2015 in Hollywood den Studenten-Oscar in der Kategorie "Ausländischer Film" gewonnen hat.
Ein Oscar als Türöffner
Wie entstand die Idee zu Eurem Film „Sadakat“?
Ilker: Ich hatte von Anfang an den Wunsch in meiner Heimatstadt Istanbul zu drehen. Als ich mit dieser Idee zu unserem Studiengangsleiter Professor Richard Reitinger gegangen bin, hat er gesagt: Ein Dreh im Ausland ist grundsätzlich möglich, allein die Geschichte muss stimmen. Und nach mehreren Drehbuch-Anläufen von Georg Lippert stand dann unsere Geschichte.
Worum geht’s in „Fidelity“?
Ilker: Wir wollten nach Istanbul, weil sich dort seit geraumer Zeit politisch, sozial und kulturell sehr viel tut. Und diese Stadt als Brückenkopf zwischen Okzident und Orient ist einfach wahnsinnig faszinierend. Die Stimmung in dieser Metropole ist wie im Film eigentlich permanent irgendwie angespannt, dauernd wird demonstriert und protestiert, etwa gegen Erdogan & Co., die türkische Gesellschaft ist – leider! – zunehmend gespalten. Unsere Protagonistin Aslı gewährt in einer spontanen Aktion einem politischen Aktivisten Unterschlupf, bewahrt ihn so vor dem Gefängnis. Dadurch geraten Asli und ihre Familie ins Fadenkreuz der Polizei.
Euer Film beschreibt das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Courage und Sicherheits-Bedürfnis?
Ilker: Ja, die Familie steht natürlich unter extremem Druck, schließlich gerät Aslıs Mann Gökhan in Konflikt mit dem Aktivisten. Das wiederum führt zu einer massiven Krise in der Beziehung der beiden zueinander. Wir wollten in „Sadakat“ nicht schwarzweiß malen – manche Konflikte innerhalb einer Gesellschaft oder einer Beziehung müssen eben sehr differenziert beleuchtet werden, und zwar ohne erhobenen Zeigefinger. Insgesamt jedoch ist die Grundhaltung des Films unzweideutig: In schwierigen Lebens-Situationen gilt es, den Rücken gerade zu machen!
Wie lang habt Ihr nach der Drehbuch-Fertigstellung an „Sadakat“ gearbeitet?
Ilker: Wir waren einen Monat vor Ort zur Recherche und haben dann in zehn Wochen den Film konkret vorbereitet und gedreht. Gewohnt haben wir bei meiner Familie in Istanbul und unser Produktions-Büro war im Keller meines elterlichen Hauses. Viele Familienmitglieder haben als Komparsen mitgemacht oder uns auf andere Art und Weise unterstützt. Das war ganz fabelhaft und es war auch ein sehr guter und wichtiger Rückhalt während der Dreharbeiten. Ohnehin war es so, dass wir als Team – Alexandra Staib, Georg Lippert, Florian Mag und ich – super zusammengearbeitet haben.
Hattet ihr Schwierigkeiten mit den örtlichen Behörden und/oder Sicherheitskräften?
Ilker: Einmal sind wir in eine ziemlich knifflige Situation geraten und mit den Kräften, die für „Sicherheit und Ordnung“ in Istanbul zuständig sind, ist bekanntermaßen nicht zu spaßen. Als wir uns Drehgenehmigungen eingeholt haben, haben wir nie das ganze, kritische Drehbuch eingereicht, sondern haben gesagt, es handele sich bei „Fideliy“ um eine Art Familien-Drama. Das hat ja auch durchaus seine Richtigkeit, nicht wahr...
Wie fühlt man sich so als Oscar-Gewinner?
Ilker: Es ist natürlich ein tolles Gefühl, einen Oscar in der Sparte „Ausländischer Film“ gewonnen zu haben. Wenn unser Film sein Publikum findet und Menschen universell berührt, macht uns das schon stolz. Ich persönlich begreife den Oscar als einen schönen Türöffner für künftige Film-Projekte, nicht mehr und nicht weniger. Im kommenden Jahr werden dann wieder andere Streifen und Teams ausgezeichnet. Wir bleiben also schön auf dem Boden. Ich persönlich halte es da wie Andy Warhol: Ein jeder hat mal „15 minutes of fame“.