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Eine Reise ins gelobte Silicon Wadi

Getreu dem Motto „Einmal sehen ist besser als hundertmal hören!“ haben sich die Studierenden des Studiengangs Digital Journalism, unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Weichert und Nils Grannemann, auf den Weg nach Israel gemacht. Begleitet wurde die Gruppe von Janko Tietz (Spiegel Online) und Hamburg Media School Alumni Jenny Wiethölter (Hanse Ventures).

Ein Gastbeitrag von Jenny Wiethölter

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Israel ist mittlerweile nicht nur Pilgerstädte für Millionen Gläubige aus aller Welt, es hat sich auch zum Mekka digitaler Start-ups entwickelt. Reiseorganisator Nils schwört die Gruppe an Tag eins mit einer Einführung in Anlehnung an das Buch „Start-up Nation: The Story of Israel's Economic Miracle“ von Dan Senor and Saul Singer ein. Wie schafft es ein kleines Land mit knapp 8 Millionen Einwohnern, dass durchschnittlich alle zwei Jahre im Krieg ist und über keine natürlichen Ressourcen verfügt, ein so beispielhaftes ökonomisches Wachstum hinzulegen? Was ist das Geheimrezept? Im Laufe der Woche verstehen wir immer besser, wodurch die enorme Innovationskraft Israels entsteht und angetrieben wird. Uns erwartet ein spannendes Programm durch das Silicon Wadi.

Innovationen im digitalen Publishing werden maßgeblich in Israel entwickelt


In vielen weltweit führenden Firmen sitzen Israelis in Führungspositionen. Ein immer wieder aufkommendes Argument für die starke Führungskompetenz der Israelis ist, dass die Menschen schon sehr früh im Rahmen ihres Wehrdienstes lernen, Verantwortung zu übernehmen und anzuführen. So auch unser erster Gesprächspartner.


Wir treffen Eliran Lazar (32), Gründer & CEO von PushApps im Accelerator „The Bridge“ von Coca-Cola, Turner und Mercedes. Diese Initiative bietet Start-ups für sechs Monate einen Arbeitsplatz sowie Mentoring und Zugang zum erstklassigen Netzwerk, um eine Brücke über Europa in die USA zu schlagen. Anders als in Deutschland müssen die ansässigen Start-ups dafür keine Anteile abgeben. Für PushApps sind vor allem die Kontakte zum global agierenden Medienunternehmen Turner interessant, da sie mit ihrer Technologie mobile Push Notifications transformieren und für Publisher nicht nur deutlich attraktiver gestalten können, sondern auch monetarisierbar machen.


Eliran sagt, dass man mit europäischen Medien ganz anders reden muss. Diese Erfahrung konnte er 2016 für sechs Monate im Rahmen des Next Media Accelerator Programms in Hamburg sammeln. In Israel gibt es „Ja“ oder „Nein“, in Deutschland findet man es interessant und will mal darüber nachdenken. Er fordert dazu auf, dass man Anbietern von Produkten und Dienstleistungen im B2B so viel Respekt gegenüber haben sollte, auch einfach „Nein“ zu sagen, um ihre Zeit zu sparen. Wir verstehen was er meint und nehmen uns vor, etwas von seiner erfrischenden Direktheit mit nach Deutschland zu nehmen. PushApps ist seine dritte Gründung, eine endete mit einem Exit und die andere scheiterte. Kein Grund sich zu verstecken. Von der israelischen Einstellung zum Scheitern können wir uns alle etwas abschneiden.
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Hier strebt man von Tag 1 nach „World Domination“


Dann nimmt uns Erez Frankel von Startup Nation Central in Empfang und holt uns mit einer beeindruckenden Präsentation über das Israelische Start-up-Ökosystem ab. Die Non-Profit-Organisation wird von einer Familienstiftung getragen und dient dem Zwecke, Start-ups mit Investoren und Förderern zu vernetzten. Sie sitzen im äußerst schicken Mindspace, einem Co-Working Space, dass mittlerweile auch eine Dependance in Hamburg hat und sich großer Beliebtheit erfreut.


Erez umreißt kurz einige Zahlen und Fakten, die uns durchaus beindrucken. Es gibt aktuell 5.000 Start-ups in Israel, was der höchsten Dichte an Start-ups weltweit nach dem Silicon Valley entspricht. So belegt das Land der technischen Innovationen Platz drei auf der Liste der „Most innovative countrys in the world“ und fokussiert sich vorwiegend auf Gründungen im Bereich IoT, Software, Cyber, Big Data, Life Science, Mobile und Telecommunications sowie Energiethemen.


Israel dient in vielen Fällen nur kurzfristig als Testmarkt. Alle Start-ups werden von Anbeginn mit dem Ziel der Weltherrschaft gegründet. Man hat wenig Scheu ins Ausland, besonders auch in die USA, zu expandieren. Gründe für das enorme Innovationspotential in Israel liegen laut Erez in der Kultur an sich, die Werte wie Strebsamkeit, Direktheit und Selbstständigkeit schätzt. Zudem liegt es in der israelischen Armee und ihrem Bestreben, sich technologisch optimal zu rüsten, um sich gegen die feindlichen Nachbarn zu verteidigen. Nicht zuletzt hat die jüdische Immigration nach Israel immer wieder neue Perspektiven eingebracht, wodurch eine Bevölkerung gewachsen ist, die es gewohnt ist, sich neu orientieren zu müssen, um sich etwas aufzubauen.

Journalismus ist Journalismus – egal, ob Print oder Digital!


Tag zwei steht mehr im Zeichen der Medien. Ein Besuch bei Walla! - einer der beliebtesten Websites des Landes startet mit einem grandiosen Frühstück auf der herrlichen Dachterrasse des Unternehmens. Das Web-Portal bietet News, eine Suchmaschine sowie einen Emaildienst und ist als Internet Company mit Yahoo vergleichbar. Hier setzt man auf Video Content. Das TV-Studio ist, in Anlehnung an die NBC Morning Show, im Rockefeller Center in New York, direkt an der Straße gelegen und durch die großen Glasfenster völlig transparent.


Wir haben die Ehre mit Walla!-CEO Ilan Yeshua zu sprechen. Er hat etwas von der Weisheit Meister Yodas und ist Geschäftsmann durch und durch. Schon früh habe er die Chancen und Herausforderungen des Internets erkannt und sein Medienunternehmen rechtzeitig umstrukturiert. Überzeugt sagt er, dass das traditionelle Geschäftsmodell des Journalismus tot ist. Warum dann noch an einem Medienunternehmen festhalten? „Manchmal ist es besser weniger Geld, aber dafür mehr Einfluss haben zu können“. Wir verstehen und er ergänzt, dass gute Journalisten in Zeiten von Fake News-Debatten umso so wichtiger sind: „Die Welt braucht sie, um Informationen zu prüfen und in den richtigen Kontext zu setzten.“ Und natürlich hat er auch längst mit digitalen Geschäftsmodellen Erfolge gefeiert. Besonders stolz ist er auf einen Exit an Axel Springer, bei dem er eine Viertelmilliarde US $ gemacht haben soll. Wir ziehen mit gemischten Gefühlen, irgendwo zwischen Untergangs- und Aufbruchsstimmung, weiter zum nächsten Termin.

Die erfolgreichste Paywall, seit es Paywalls gibt?


Ganz anders ist es bei der Haaretz - der Zeitung für die Eliten des Landes. Auf Video setzt man nur sporadisch. Sie haben es als eine der wenigen Tageszeitungen geschafft, erfolgreich eine digitale Bezahlschranke zu etablieren und wachsen online. Seit 2012 geht es wieder aufwärts, Dank eines neuen Investors, der an entscheidenden Stellen Mut gemacht hat, neue Wege einzuschlagen. Unsere Gesprächspartner beschreiben ihren einstigen Widerstand und gehörten auch zu der Sorte Journalisten, die sich lange geweigert hat, auch für Online zu schreiben. Wir schmunzeln und werden heimlich an den ein oder anderen deutschen Kollegen erinnert.


Heute geht man offen auf neue digitale Leser zu und versucht die Alten zu halten, allerdings weniger krampfhaft als früher. Facebook ist der wesentliche Akquisekanal und eine Traffic-Goldmiene. Ein interessanter Insider ist, dass sie in Kriegszeiten durchschnittlich 3.000 neue User pro Woche dazu gewinnen. Das Bedürfnis gut informiert zu sein, steigt logischer Weise in Zeiten des Aufruhrs.

Journalisten schreiben Texte und kein Schwein liest sie – das muss man ändern!


„Welche Disney-Prinzessin bist Du?“ Jeder kennt sie und muss wohl auch zugeben, den ein oder anderen schon gemacht zu haben. Personality Quizzes in sozialen Netzwerken. Wer steckt dahinter? Natürlich ein fuchsiges israelisches Tech-Startup aus Tel Aviv, das mittlerweile sogar Disney und Haim Saban als Investoren gewonnen hat. Wir sind zu Gast bei Playbuzz, wo uns verdeutlicht wird, dass eigentlich kein Leser mehr Lust hat, lange Texte bis zum Ende zu lesen. Die unterhaltsamen Quizzes von Playbuzz treffen so genau den Puls der Zeit. Bereits 13.000 Kunden, darunter auch Big Brands und Publisher, haben die Macht der neuen Art der Unterhaltung entdeckt. Schlau, wer die Ergebnisse dieser Frage/Antwort-Spielchen geschickt auswertet und für seine Zwecke nutz. Wenn nicht, dann wird Playbuzz sicher schon Ideen haben, was mit all den persönlichen Informationen anzustellen wäre...

Millennials ziehen Erfahrungen Dingen vor!


An Tag drei starten wir mit einem Besuch bei Inception VR, dem Zuhause von Premium VR-Content. Das Start-up möchte die führende Anlaufstelle für 360°- und Virtual Reality-Unterhaltung über alle Geräte hinweg werden. Eine mutige Vision und wieder ein exzellentes Bespiel für das israelische Selbstbewusstsein. Man ist sich den Herausforderungen bewusst: Die Devices sind bisher zu teuer, vielen Leuten wird schwindelig und das Storytelling ist zu linear. Aber man hat auch Antworten darauf und will mit innovativer Technologie, optimierter Distribution der Inhalte über Social Media und durch große Publisher, einer ausgefeilten und einzigartigen Content-Strategie und einer eigenen App dem Widerstand trotzen. So konnten in nur vier Monaten bereits 600.000 Downloads und eine Engagement-Zeit von 9 Minuten pro User erzielt werden. Weiter so! Wir kaufen das Ganze dann, wenn es fertig und durchoptimiert ist ;)

Auch die HMS baut Brücken nach Israel



Am Abend sind wir an der Tel Aviv University, dem Kooperationspartner des Studiengangs Digital Journalism. Dr. Tamar Ahsuri, Mitglied der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität, hat für uns einen akademischen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen organisiert: Es geht um Themen wie den Nahost-Konflikt, Big Data, digitale Journalismusforschung und einen Besuch im institutszugehörigen Research Lab, wo die Soziologin das Nutzungsverhalten von Websites mit Eyetracking-Verfahren untersucht.
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Zwei Artificial Intelligence Video Producer – wer macht das Rennen?


An Tag vier sind wir bei Wibbitz & Wochit. Zwei Unternehmen, die ein ähnliches Feld beackern, sich aber bei näherer Betrachtung durchaus unterscheiden. Es geht ultimativ um Video Content in Social Media. Immer häufiger tauchen in unseren Facebook Streams Videos mit Textbausteinen und dazu stimmig passender Musik auf. Der Gedanke dahinter ist, dass jemand den Lautsprecher nicht anmachen möchte und so trotzdem die Chance bekommt, die News zu empfangen. Die Musik geht zur Sicherheit erst an, wenn man explizit darauf drückt, um bspw. peinliche Momente im Büro oder der Bahn zu vermeiden. Benutzt werden diese Videos auch schon von vielen deutschen Publishern, wie der Bildzeitung, aber wer baut sie?


Im Prinzip baut der Journalist sein Video selber mit Unterstützung der Technologie dieser Start-ups. Während Wibbitz sehr viel durch AI vorwegnimmt und man nur noch einen Link einfügen, ein paar Sekunden warten und dann ein fertiges Video editieren muss, funktioniert Wochit mehr wie ein Baukasten. Wer die besseren Ergebnisse liefert können wir nicht einschätzen. Es bestätigt nur wieder, dass Publisher für Social Media auf Video setzten sollten und müssen.

Wer sichert sich welches Stück vom Kuchen?



Am Nachmittag schauen wir noch beim kostenlosen Chat-Dienst Viber vorbei und erfahren, dass neben WhatsApp, WeChat, KakaoTalk und Line auch noch genug Platz für weitere Messaging-Dienste besteht. Viber ist Marktführer in Osteuropa, Russland und in einigen asiatischen Ländern und gewappnet diese Position zu verteidigen.
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Unserem Motto treu geblieben -> Act like a pro, be ready to go!


Wir haben auf unserem International Field Trip gelernt, dass in Tel Aviv trotz der instabilen geopolitischen Lage niemand den Kopf in den Sand steckt und auf den Untergang wartet. Das Gegenteil ist der Fall! Wir trafen unglaublich spannende Gründer, Unternehmer, Wissenschaftler und Mitarbeiter von Unternehmen, die einen Platz an der Sonne suchen und dafür bereit sind sehr viel zu tun. Diesen Drive nehmen unsere Studierenden vom Studiengang Digital Journalism mit nach Hause und machen etwas daraus - zum Beispiel im Rahmen ihrer eigenen universitären Medieninnovationsprojekte, die Ende Mai vorgestellt werden.


Wir möchten auch darauf hinweisen, dass wir uns zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt haben und man uns als deutsche Gäste ausnahmslos mit großer Herzlichkeit empfangen und uns mit viel Interesse entgegengetreten ist. Tel Aviv ist eine pulsierende, reizvolle Stadt, die voller toller Ideen, Innovationen und Technologien steckt und definitiv einen Besuch wert.