Wer hätte das gedacht? Zur Jahreswende 2019/2020 wurde „Eine Kommunikationsstrategie für Pears Jüdischer Campus (PJC)“ in Berlin als Pro-Bono-Praxisprojekt von HMS-Studierenden begonnen und final entwickelt. Ende Juni 2023 wurde nun der Campus offiziell von Rabbiner Yehuda Teichtal im Rahmen einer großen öffentlichen Feier eröffnet.
DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT / PRAXISPROJEKTE
Einweihung des Pears Jüdischer Campus in Berlin
Das Pro-Bono-Praxisprojekt für den Pears Jüdischer Campus hat eine kleine Vorgeschichte. Ein Freund, der langjährige Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, sprach mich vor einigen Jahren an. Rabbiner Yehuda Teichtal, Vorsitzender der Chabad-Gemeinde in Berlin und Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde dort, habe Großes vor. Er wolle einen jüdischen Campus, der stets offen, tolerant und kooperativ gegenüber allen Religionen stehe, bauen lassen und brauche dafür Unterstützung. Nun muss man wissen: Kai Diekmann ist – etwa neben Iris Berben, Dr. Mathias Döpfner, Alexander Otto und Dr. Josef Schuster – im Stiftungskuratorium des PJC. Rabbi Teichtal wolle gern nach Hamburg an die Hamburg Media School kommen, um auszuloten, ob wir ihn in Sachen Kommunikation rund um den Pears Jüdischer Campus unterstützen können. Mehr dazu in diesem Blog-Beitrag.
Bundesweit wurde der Rabbi bekannt, weil er und einer seiner Söhne Opfer einer antisemitischen Attacke in der Nähe der Synagoge der Chabad-Gemeinde im Berliner Bezirk Wilmersdorf wurden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und andere Spitzenpolitiker demokratischer Parteien solidarisierten sich mit dem Rabbi und verurteilten diesen und andere antisemitische Angriffe auf jüdische Mitbürger:innen in Deutschland. So war es für die HMS – in Persona Ulrike Meier, Prof. Dr. Armin Rott und mich – überhaupt keine Frage. Nur zu gern sollte es ein Praxisprojekt für den Pears Jüdischer Campus geben. Schließlich waren es Jonathan Benirschke, Marlene Berger, Kevin Finck, Laura Jaksik und Claudia Joel, die das Praxisprojekt „Eine Kommunikationsstrategie für Pears Jüdischer Campus (PJC)“, dessen Kern ein „Konzept zur Online- und Social Media-Kommunikation“ war, realisierten. In einem anderen Blog-Beitrag schrieb HMS-Alumnus Jonathan Benirschke, was Rabbi Teichtal besonders auszeichnet: „Fröhlichkeit, Positivität, Tatendrang und Enthusiasmus“, und er unterstrich, „dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass er vor ansteckender Motivation nur so sprüht.“
Am 1. März 2020, zum Richtfest des Campus, fuhr das Praxisprojekt-Team nach Berlin, es war ein bitterkalter Corona-Tag zu Beginn der Pandemie – noch vor der Maskenpflicht übrigens, denn die begann Ende April 2020 – als auf dem Richtfest neben anderen Persönlichkeiten der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz über den Pears Jüdischer Campus als ein sehr bereicherndes Begegnungszentrum in Berlin und weit darüber hinaus sprach. Damals wie nun zur offiziellen Eröffnung hat es Rabbi Teichtal auf den Punkt gebracht wofür der Campus im Herzen Berlins steht: „Er ist ein Zeichen für ein gelebtes Miteinander, zwischen Menschen mit und ohne jüdischen Hintergrund. Es geht uns um ein friedliches Miteinander derer, die sich für Bildung, Kultur und Sport interessieren – unabhängig von Glaube, Religion und Herkunft“. Und weiter: „Der Jüdische Campus ist das Gesicht eines positiven Wachstums und der Entwicklung interkulturellen Lebens – für mehr Toleranz für alle“. Achtzig Jahre nach den Nazi-Pogromen 1938, als nicht nur jüdische Bildungseinrichtungen brannten, soll dieser Campus „eine schmerzhafte Lücke schließen.“
Bilder ©Fleishman Peles Production
Einige Zahlen zum Pears Jüdischer Campus, dessen Errichtung rund 40 Millionen Euro kostete: Die Finanzierung setzt sich zusammen aus öffentlicher Förderung durch die Bundesregierung und das Land Berlin, Spenden von großen Unternehmen und einzelne Privatpersonen. Auf die letzten Meter hatten Rabbi Teichtal und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch einen digitalen Spendenmarathon organisiert, der innerhalb von 36 Stunden 1,5 Millionen Euro zusammenkommen ließ. Das gesamte Gebäude umfasst gut 8.000 Quadratmeter. Hier findet man eine Kita, eine Grundschule und ein Gymnasium. Weiter gibt es einen Co-Working Space, einen Eventbereich mit Räumlichkeiten unterschiedlicher Größen sowie einen Festsaal mit 600 Quadratmetern. Auch ein Kinosaal mit 100 Sitzplätzen und eine Küche, „die in die vielfältig koschere Küche entführt“, zählen zum Campus ebenso wie eine Sporthalle, eine Bibliothek, ein Atelier und ein Café. Last not least: Der Pears Jüdische Campus ist das umfänglichste jüdische Bauprojekt in Deutschland.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, sah bei der Eröffnung des Campus in ihm „ein unübersehbares Zeichen für das gewachsene, moderne jüdische Leben“. Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion, findet, dass der Campus „im Grunde genommen ein Ausdruck – Stein auf Stein – ist für die Freiheit in unserem Land, für die Freiheit in Berlin, für die Freiheit der Menschen.“
Die abschließenden Worte sollen Rabbiner Yehuda Teichtal, der zahlreiche Verwandte im Holocaust verloren hat, gestattet sein; eines seiner Lebensmottos lautet: „Aus der größten Dunkelheit ins hellste Licht“. Das passt zum Pears Jüdischer Campus, dessen einzige Beeinträchtigung eine Umzäunung – aus Vorsicht vor antisemitischen Aktionen – ist. Aber mithin dafür hatte der Rabbi eine Idee: Sie wird geziert von bunten, phantasievollen und schönen Graffitis.