Florian Schmidt hat als Wirtschaftsressortleiter das Finanz- und Börsenportal von t-online mit aufgebaut. Für ihn sind Börsennachrichten aber nicht nur etwas für ältere Aktionäre: „t-online ist ein Portal für alle Bürger*innen. Wir möchten mit unserem Angebote nicht nur klassische Zielgruppen wie etwa den älteren Herrn, sondern auch Frauen und junge Menschen erreichen.“ Wie das gelingt? Florian Schmidt verrät es: Mit gezielter Ansprache und der richtigen Themensetzung. Im „Fünf Fragen“-Interview geht er ins Detail.
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Fünf Fragen an Florian Schmidt: „Mit gezielter Ansprache mehr Nutzer*innen erreichen“
Florian Schmidt, du leitest das Finanz- und Börsenportal – das klingt nach einer älteren, männlichen Leserschaft oder ist das nur ein Klischee?
Florian Schmidt: Das ist eher ein Klischee. Natürlich bieten wir mit unserem Nachrichtenangebot wichtige Artikel für Aktionäre – die sind gerade in Zeiten von Smartphone-Trading-Apps aber immer öfter auch jünger. Grundsätzlich gilt: Wir möchten mit unserem Portal alle Leser*innen ansprechen, das schließt Aktionär*innen genauso ein wie Studierende – egal, ob männlich oder weiblich. Den stereotypen Nutzer oder stereotype Nutzerin gibt es daher nicht. t-online erreicht als Medienmarke pro Monat 45 Millionen Menschen in Deutschland, wir sind ein Medium für alle Bürger*innen und so divers ist das auch unsere Zielgruppe.
Wenn der ältere Herr schon aufgrund seiner Geldanlagen zur Kernzielgruppe zählt, wie erreichst du dann andere Nutzer*innen wie Frauen oder junge Menschen?
Florian Schmidt: Wir sprechen sie gezielt an, indem wir ihnen die Themen bieten, die sie interessieren. Frauen etwa stehen vor spezifischen finanziellen Herausforderungen. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit und haben daher eine große Rentenlücke zu befürchten. Auch der Gender Pay Gap, also der Unterschied zwischen den Gehälter von Frauen und Männern, ist eine Thema, das viele umtreibt. Daraus resultieren wieder neue Aspekte – etwa die Gehaltsverhandlung: Wie gehe ich das richtig an? Das sind Fragen, die nicht nur Frauen, sondern jeden Erwerbstätigen interessieren. Das sind für uns also wichtige Schwerpunkt. Und wir merken auch bei jungen Menschen: die wollen sich über Altersvorsorge informieren. Das decken wir ab – mit der richtigen Ansprache.
Du hast das Finanz- und Börsenportal bei t-online aufgebaut. Wie sieht so ein Prozess aus?
Florian: Natürlich habe ich das nicht alleine gemacht, sondern in einem Team. Dieses gliedert sich in zwei Bereiche, die immer wieder Schnittmengen haben: auf der einen Seite steht das redaktionelle Ressort mit Journalist*innen, die eine große Bandbreite von Themen covern. Auf der anderen Seite gibt es das Team um Produktentwicklung und Vermarktung. Diese beiden Segmente verschmelzen bei uns immer wieder – und das ist auch wichtig, um das beste Produkt zu bieten. Da unsere Zielgruppe vielfältig ist, müssen wir verschiedene Wissensstände und auch Ziele der Nutzer*innen bei unserer User Journey berücksichtigen. Ein Beispiel: Jemand weiß, dass er was mit seinem Geld tun sollte, hat aber noch keine Ahnung, wie genau er das anstellen sollte. Diesen Nutzer nehmen wir an der Hand, führen ihn über einen Ratgeber etwa zum Thema ETF-Sparplan ans Investieren heran, da solche Sparpläne relativ einfach zu verstehen sind. Im nächsten Schritt kann er dann mit einem unserer interaktiven Rechner ausprobieren, wie viel er auf diesem Weg über mehrere Jahre ansparen kann. In unserem Datenbereich kann er dann anschließend mehr über die einzelnen ETFs erfahren. So bringen wir unsere Nutzer*innen immer tiefer in die Thematik, entwickeln Sparer zu Anlegern. Wichtig ist dabei immer: Wir bieten natürlich keine Finanzberatung an oder sprechen Empfehlungen zu einzelnen Finanzprodukten aus. Wir arbeiten journalistisch, also unabhängig und neutral. Es geht uns darum, die bestmögliche Information zu liefern.
Du arbeitest schon viele Jahre im Wirtschaftsjournalismus. Was hat sich verändert?
Florian: Die Antwort hat zwei Seiten: Ehe ich zu t-online kam, habe ich vor allem für Medien mit einem Printprodukt gearbeitet, etwa für die WELT oder BILD und die B.Z.. Bei t-online ist alles online-only. Dadurch sehen wir einerseits direkt, wie Nutzer*innen Artikel annehmen und können darauf entsprechend reagieren. Das ist sehr hilfreich und zeigt unter anderem, dass hintergründige Analysen oft deutlich mehr interessieren als nur die schnelle News. Andererseits hat die Digitalisierung auch neue Themen im Wirtschaftsjournalismus hervorgebracht. Seit zwei Jahren schreiben wir etwa sehr viel über Krypto-Währungen wie Bitcoin, was früher nur ein Nischenthema war.
Warum hast du dich für das JIP beworben? Was möchtest du durch deine Teilnahme erreichen, verbessern oder auch auf den Weg bringen?
Florian: Im JIP haben ich viele neue Dinge gelernt, allen voran eine neue „Produktdenke“. Mir war es für unser Portal wichtig, die journalistischen Aspekte mit einer digitalen Produktentwicklung zusammenzudenken – und dafür gab es im JIP viele Impulse, die mir schon jetzt in meinem Arbeitsalltag helfen.