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Interview mit Ellen Heinrichs

DJF Ellen Schuster gross

„Konstruktiver Journalismus schaut nicht alleine auf Reichweite, sondern auch auf gesellschaftliche Wirkung“, sagt die Journalistin Ellen Heinrichs. Sie hat das Bonn Institute gegründet, das sich auf Konstruktiven Journalismus spezialisiert. Was sie mit dieser neuen Anlaufstelle schaffen möchte und was für sie Konstruktiver Journalismus erreichen kann, erklärt sie im Interview.

Ellen Heinrichs, Sie haben das Bonn Institute gegründet, das Konstruktiven Journalismus fördern bzw. vermitteln möchte. Wie definieren Sie Konstruktiven Journalismus und was kann er bewirken?
Ellen Heinrichs: Wir verstehen konstruktiven Journalismus als ein Mindset, das dem Journalismus helfen kann, Nutzerbedürfnisse besser zu erfüllen – durch eine lösungsorientierte und perspektivenreiche Berichterstattung und durch die Förderung von konstruktiven Debatten, die unsere Gesellschaft dringend nötig hat. Journalistinnen und Journalisten könnten Moderatoren des öffentlichen Dialogs sein und so nicht nur ihren eigenen Anspruch einlösen, die vierte Säule unserer Demokratie zu sein, sondern auch viel für Vertrauen und Relevanz von Medien tun.

Welche Herausforderungen gibt es bei der konstruktiven Berichterstattung und wie lassen die sich möglicherweise lösen?

Heinrichs: Ab und zu kommt es noch vor, dass konstruktiver Journalismus als „Good News“ missverstanden wird, als eine Art schönfärberischer Journalismus. In Gesprächen lässt sich das aber leicht aufklären, denn wir alle wissen, wie trefflich sich über Lösungen streiten lässt, und wie überaus kritisch Journalismus sein kann, der vielen Stimmen Gehör verschafft und Mächtigen vor Augen führt, wie erfolgreich woanders Probleme bereits gelöst werden, die bei uns immer noch nicht angepackt wurden.

Was haben Sie mit dem Institut insbesondere vor? Warum braucht es das Institut in Deutschland und wie kann es Konstruktiven Journalismus in den Redaktionen fördern?

Heinrichs: Unser gemeinnütziges Institut setzt sich für Wissenstransfer in der Branche ein. In sehr vielen Redaktionen wird bereits erfolgreich mit konstruktiven Ansätzen experimentiert. Aber die Kollegen und Kolleginnen nehmen sich oft als Einzelkämpfer wahr und wünschen sich mehr Austausch und Vernetzung. Das wollen wir leisten. Außerdem werden wir mit eigenen Angeboten Impulse setzen. Wir bieten Einsteigertrainings, Konferenzen und auch maßgeschneiderte Beratungen für einzelne Redaktionen. Ganz wichtig ist uns zudem die Forschung, um besser zu verstehen, wie Konstruktiver Journalismus auf Gesellschaft und Medien wirkt.

Sie haben mit RTL, der Rheinischen Post, der Deutschen Welle und dem Constructive Institute aus Aarhus interessante Partner bzw. Gesellschafter an Bord. Wie kam es dazu und wie spielen diese Partner zusammen?

Heinrichs: Ich bin sehr glücklich, dass es mir gelungen ist, diese doch sehr unterschiedlichen Organisationen für die Gründung des Bonn Institute zu gewinnen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in der Konzentration auf die Bedürfnisse der Menschen die Zukunft unserer Branche sehen. Und sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Denn Konstruktiver Journalismus ist auch verantwortungsvoller Journalismus, der nicht allein auf Reichweite, sondern auch auf gesellschaftliche Wirkung schaut. Gemeinsam mit unserem Kuratorium aus herausragenden Medienschaffenden und Forschenden repräsentieren sie die ganze Vielfalt unserer Branche.

Was sind aktuelle oder demnächst anstehende Projekte des Instituts?

Heinrichs: Wir starten schon bald mit offenen Angeboten, an denen alle teilnehmen wollen, die sich erst einmal grundlegend über Konstruktiven Journalismus informieren wollen. Termine und Ankündigungen findet man auf unserer Homepage. Da steht auch, auf welchen Konferenzen und Branchenevents wir anzutreffen sind. Außerdem arbeiten wir mit einigen Medienhäusern an konkreten Projekten. Zum Beispiel wollen wir gemeinsam mit einer Pilotredaktion der Rheinischen Post herausfinden, wie sich Lösungsjournalismus auf die Monetarisierung von Lokaljournalismus auswirken kann.

Persönliche Frage zum Schluss: Warum ist Ihnen das Thema Konstruktiver Journalismus wichtig? Warum haben Sie sich diesem Thema angenommen?

Heinrichs: Ich war jahrelang als Innovationsmanagerin für die Deutsche Welle unterwegs und habe mich mit der Zeit immer stärker gewundert, warum die Branche Digitalisierung vor allem als technologische und organisatorische Aufgabe wahrgenommen hat. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns stärker mit der Frage auseinandersetzen müssen: Wofür werden Journalistinnen und Journalisten in einer Welt gebraucht, in der ein absoluter Überfluss an Informationen herrscht? In der Menschen Zweifel haben, wem sie im Netz überhaupt noch vertrauen können? Was bedeutet das für unsere Angebote? Unser Handwerk? Wo müssen wir uns weiterentwickeln? Konstruktiver Journalismus bietet da viele spannende Anregungen.