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WEITERBILDUNG / MEDIA INNOVATION PROGRAM

„Wir denken investigative Recherche auf mehreren Wegen“

von KRISTINA KABA am 20.05.2022

Frederik Obermaier

Er gehört zu den besten Journalist*innen weltweit, hat sich mit großen Investigativrecherchen einen Namen gemacht. Frederik Obermaier initiierte und koordinierte zusammen mit Bastian Obermayer die Panama-Papers-Enthüllungen. Auch die Bahamas-Leaks, Paradise Papers und die Ibiza-Affäre, die eine Staatskrise in Österreich auslöste, gehen auf das journalistische Konto von Obermaier. Jetzt hat er gemeinsam mit seinem Kollegen Bastian Obermayer das Start-up paper trail media für investigative Recherchen gegründet. Der Spiegel hat sich dieses Knowhow bereits gesichert. Im Interview beim „JIP: FINAL PITCH“ mit Moderator Yared Dibaba spricht Frederik Obermaier über investigativen Journalismus und Gründungen in der Medienbranche.

Frederik Obermaier, ihr habt vor Kurzem euer Start-up für investigative Recherchen gegründet. Was war der Grund dafür?


Frederik Obermaier: Bastian Obermayer und ich haben zusammen mehr als 30 Jahre bei der Süddeutschen Zeitung gearbeitet – und das war eine fantastische Zeit. Aber es war an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Ich bin Vater, und möchte nicht erst als Großvater beruflich etwas Neues wagen. Uns hat schon seit Jahren die Frage umgetrieben, wie investigativer Journalismus finanziert werden kann. Jedes Medienhaus schmückt sich damit. Investigative Recherchen kommen gut an und es ist natürlich extrem wichtig, Missstände in der Welt aufzudecken. Aber wie können sich diese Recherchen finanzieren? Es gibt die Rechercheverbünde, Querfinanzierungen von großen Medienhäusern oder auch Nonprofiteinrichtungen, die investigativen Journalismus unterstützen. Aber das kann nicht die einzige Möglichkeit sein, investigativ zu arbeiten. Bastian Obermayer und ich glauben, dass es Alternativen gibt, investigativen Journalismus so aufzusetzen, dass man die Recherchen komplett finanzieren kann. Aus guten investigativen Geschichten lassen sich neben Artikeln auch Dokumentarfilme, Bücher und auch Podcasts produzieren. Das existiert natürlich schon alles, aber die meisten Investigativjournalist*innen machen dies nicht selbst. Produktionsfirmen kommen nach der Veröffentlichung und fragen, ob sie zu der Recherche einen Film machen können oder ähnliches. Wir wollen mit unserem Team bei paper trail media alles gleichzeitig denken und dann auch umsetzen. Wir denken investigative Recherche umfassend und in möglichst vielen Ausspielwegen - und dann können wir uns diesen Journalismus auch leisten.

Wie läuft euer Start-up auf den ersten Metern?


Frederik: Sehr gut. Wir haben uns schon seit einiger Zeit erste Gedanken zu unserer Gründung gemacht und daher gut geplant. Außerdem haben wir mit dem Spiegel einen großartigen ersten Partner an unserer Seite, der die Idee mag, der etwas ausprobieren will und fröhlich mit uns ins Risiko geht - was für ein Medienhaus nicht selbstverständlich ist. Außerdem sind wir bereits mit weiteren Partnern im Gespräch und können hoffentlich bald verkünden, wer noch dabei sein wird.

Wie hat das mit dem Spiegel begonnen?


Frederik: Der Spiegel ist immer mal wieder auf uns zugekommen, um vorzutasten, ob wir nicht Lust hätten, zu wechseln. Aber wir haben uns bei der Süddeutschen Zeitung wohl gefühlt, es gab für uns wenig Grund, die Zeitung zu verlassen, erst recht nicht um dann beim Spiegel wieder als Redakteure anzufangen. Aber irgendwann wurde der Drang, etwas Neues zu wagen, immer stärker. Als der Spiegel uns dann signalisiert hat, auch mit uns als Start-up zusammenarbeiten zu wollen, da war für uns klar: das machen wir!

Wie groß wollt ihr werden?


Frederik: Wir werden in diesem Jahr mit insgesamt etwa ein halbes Dutzend festangestellter Investigativjournalist*innen sein – hier in München. Und wir hoffen, mit jedem Partner auch unser Team erweitern zu können. Mehr kann ich aber leider noch nicht sagen.

Sucht ihr eher Menschen und Partner für einzelne Projekte oder für die lange Strecke?


Frederik: Wir sind für beides offen. Wir können uns vorstellen, mit einem Partner die lange Strecke zu gehen, aber dann muss dieser mit dem Spiegel harmonieren, sonst funktioniert das nicht. Wir wollen aber auch Sachen ausprobieren und Projekte starten. Und wenn wir merken, dass es nicht funktioniert, dann probieren wir es ein bisschen anders eben nochmal. Diese Freiheit möchten wir uns bewahren. Genau um dieses Ausprobieren geht es uns. Darum haben wir gegründet.

Strebt ihr auch internationale Kooperationen an?


Frederik: Ja, wir wollen das auf jeden Fall weiterführen, weil wir glauben, dass investigativer Journalismus nur auf der internationalen Ebene funktioniert. Investigativjournalismus nur aus Deutschland heraus, finden wir, verschließt den Blick für das große Ganze.

Ihr seid international bekannt – und preisgekrönt mit dem Pulitzer-Preis, dem Deutschen Reporterpreis und auch dem Nannenpreis. Doch wie steht es um eure Businesskompetenz? Wie stark seid ihr kaufmännisch?


Frederik: Unsere Skills sind im Aufbau. Das ist uns auch bewusst, weshalb wir uns gute Berater ins Boot geholt haben. Ein Freund, der viel Erfahrung mit Start-Ups hat, hat uns von Beginn an geholfen. Wir können zwar vieles lernen und wollen dies auch. Aber es ist trotzdem wichtig, sich Expert*innen zu suchen, die ihr Wissen über Jahre in diesem Bereich aufgebaut haben und es mit uns teilen.

Die ersten Schritte seid ihr gegangen. Was ist die nächste große Recherche?


Frederik: Ich kann so viel sagen: Es wird was kommen, es gibt mit den neuen Kolleg*innen vom Spiegel bereits einige kleinere Projekte, aber wir planen auch schon eine größere Sache. Mehr möchte ich aber noch nicht verraten.