Medienreise Russland: Wie frei sind unsere Medien hier in Deutschland wirklich?
„Ein Schnupfen ist nichts Gutes, aber Krebs und Aids sind schlimmere Krankheiten.“
Mit diesen Worten bringt es Nikolai Klimeniouk in unserem Telefonat zum Thema Pressefreiheit in Russland und in Deutschland auf den Punkt. Deutschland steht laut ROG auf Platz 14 von 180 des internationalen Vergleichs der Pressefreiheit. Es sind also zwei vollkommen unterschiedliche Situationen, die nicht in direktem Vergleich stehen sollten. Dennoch stehen wir auch nicht auf Platz 1 und dafür gibt es Gründe:
Auf der Medienreise kam dieses Thema immer wieder auf den Tisch. Vor allem bei der Podiumsdiskussion im Goethe Institut, wurde seitens russischer Besucher angemerkt, dass das deutsche Mediensystem ja auch nicht wirklich frei ist. Wir als Medienmanager müssten es eigentlich wissen: Der enorme wirtschaftliche Druck, der die Verlage und Redaktionen schon seit geraumer Zeit belastet schränkt natürlich auch den dahinterstehenden Journalismus ein. Für Recherchen bleibt weniger Zeit und auch das Personal wird stellenweise gekürzt. Durch den Zeitdruck und die Personalsituation kann es passieren, dass Themen nicht mehr gründlich genug recherchiert werden. Bestes Beispiel dafür ist die immer stärkere Vereinheitlichung der Quellen, sodass natürlich auch die Inhalte sich langsam angleichen. Und diese Vereinheitlichung ist schon lange ein Diskussionsthema, da sie selbst vor den angesehenen überregionalen Zeitungen nicht Halt macht, die lange Zeit für hochwertige Inhalte standen.
Da frage ich mich, wie können wir dieser Vereinheitlichung entgehen? Ist das Internet, die Blogosphäre tatsächlich eine echte Alternative? Fishman und Scholl halten das für fragwürdig, schließlich fehlt dem deutschen Bürger die Vorselektion und allein die schiere Menge an Informationen im Internet macht es schon fast unmöglich sich umfassend und objektiv zu informieren. Außerdem erfolgt die Kontextualisierung und Bewertung von Inhalten online meist sehr subjektiv ohne die Offenlegung der dahinter-stehenden politischen und weltlichen Gesinnung, die bei großen Medientiteln bekannt ist.
Geheimdienste als Gefahr für die Medienvielfalt
Die Pressesprecherin der ROG, Silke Ballweg, nennt in einem Telefonat zahlreiche Einschränkungsgefahren für die deutschen Medien: Die Überwachung durch den deutschen und andere Geheimdienste, ein aktuell ja sehr brisantes Thema, schränkt auch die journalistische Arbeit stark ein. Bei der Überwachung von Journalisten, können diese keine Sicherheit mehr für Informanten gewährleisten, wodurch es immer schwerer wird an exklusive Informationen aus erster Hand zu gelangen. Zum Thema verweise ich auf ein wirklich spannendes Experiment der ARD mit Journalist Peter Onneken unter dem Titel „Exklusiv: Zugriff! Wenn das Netz zum Gegner wird“ – filmreife Realität.
Selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist betroffen
Auch die Zusammenstellung der ZDF-Gremien ist schon jahrelang ein umstrittenes Thema. Nun gibt es ein EUGH-Urteil zum ZDF-Staatsvertrag, das den zu großen politischen Einfluss auf das ZDF moniert. Die Folge dessen: Die Aufsichtsgremien des ZDF sollen refomiert werden. Und eben dies ist der kleine, aber feine Unterschied: Wir haben zwar kein absolut freies Mediensystem. Aber es wird nach den Fehlern des Systems gesucht und der Einsatz, eben daran etwas zu verändern, wird am Ende belohnt.
Konzentrationstendenzen in Deutschland nehmen uns ein Stück Pluralismus
Die derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklungen, die vor allem im Printmarkt zu beobachten sind, schmälern die inhaltliche Vielfalt unserer Presselandschaft. Allerdings stehen die Zeitungen vor so großen wirtschaftlichen Herausforderungen, dass sie keine andere Wahl haben als den Weg der Konzentration zu wählen. Trotzdem besteht zumindest ein crossmedialer Pluralismus. Der wirtschaftliche Druck lässt auch den Erwartungen der Leser, Zuhörer und Zuschauer eine größere Bedeutung zukommen, um Auflage oder Quote zu machen fallen uns allen direkt Begriffe wie Sensationsjournalismus oder Negativität ein.
Niemand ist völlig frei den eigenen Wertvorstellungen und Interessen
Auch die hinter den Redaktionen stehenden Medienhäuser verfolgen Interessen, die bei der Berichterstattung nicht immer unberücksichtigt bleiben. Die Werbeerlöse sind beispielsweise nach wie vor ein wichtiges Erlösstandbein und wie viele Medienunternehmen können es sich erlauben Werbetreibenden mit kritischer Berichterstattung vor den Kopf zu stoßen? Und schließlich ist der Journalist selbst auch nicht immer objektiv. Auch er hat Weltvorstellungen und persönliche Präferenzen, die die Tonalität seiner Arbeit mitbestimmen.
Journalistisches Arbeiten unter erschwerten Bedingungen
Aber auch die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Behördeninformationen und die dabei anfallenden Gebühren sind keine ideale Grundlage für professionellen Journalismus.Außerdem gibt es auch hier Gefahren, denen sich Journalisten in Deutschland unter bestimmten Bedingungen aussetzen: Zuletzt gab es in Magdeburg eine Demonstration von Neonazis, die mit Parolen wie „Der Presse auf die Fresse“ titelte. Auch Islamisten und Kriminelle drohen deutschen Journalisten immer wieder.
Das Russlandbild der deutschen Medien
Die deutsche Berichterstattung über Russland ist von Klischees und Stereotypen geprägt. Die gemeinsame Geschichte in mehreren großen Kriegen und die Zeit des kalten Krieges, ließ Russland schon lange eine große Präsenz in den deutschen Medien einnehmen. Staatstreue und Rückständigkeit werden in Verbindung mit Russland immer wieder thematisiert. Seit mit Putin der wirtschaftliche Aufschwung dank der Öl- und Gasförderung erfolgte, herrscht vor allem die Angst vor der Abhängigkeit von Russland in den deutschen Medien vor. So kommt es, dass die deutschen Medien sich vor allem mit der russischen Demokratie, der vorherrschenden Rechtstaatlichkeit und der Medienfreiheit auseinandersetzen. Dabei kommt es meist zur starken Kürzung und Vereinfachung über die bekannten Stereotype, um komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen. Nicht selten fallen so auch die fehlenden Russland-Kenntnisse des Journalisten nicht auf. Diese Gewohnheiten in der Berichterstattung über Russland müssten eigentlich auch Mal beiseite gelegt werden, um einen unverfälschten Blick auf das Land zu werfen. Auch wenn die Freiheit der Medien in Russland eingeschränkt ist, heißt das z.B. nicht, dass die Berichterstattungen über Deutschland oder Ereignisse in der Ukraine von vornherein falsch sind.
Hierbei darf man nicht vergessen, dass auch wir in unserer Geschichte auf fehlende Pressefreiheit und Zensur zurückblicken können und das duale Mediensystem und die darauf aufbauende Medienvielfalt in Deutschland vor allem so schnell etabliert werden konnten, weil die Alliierten sich der deutschen Medienlandschaft annahmen.
8 Punkte von 10 für die deutsche Pressefreiheit
2 Punkte von 10 für die russische Pressefreiheit. Wir können schon von Glück reden, in einer so freien Gesellschaft zu leben. Hier darf jeder seine Meinung vertreten, egal wie bizarr sie auch sein mag. Unser Mediensystem kann an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch verbessert werden und vor allem auf die Konsolidierung im klassischen Medienmarkt sollten wir ein Auge richten. Aber durch das duale Mediensystem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Meinungsfreiheit als im Grundgesetz verankertes Recht für Jedermann sind unsere Freiheiten wesentlich größer als die Einschränkungen. Um noch einmal auf Nikolais Zitat zurückzukommen: Von einem Schnupfen kann man sich ziemlich schnell erholen, wenn man weiß, was zu tun ist. Die Behandlung von Krebs oder Aids ist da wesentlich komplexer.
Mit diesen Worten bringt es Nikolai Klimeniouk in unserem Telefonat zum Thema Pressefreiheit in Russland und in Deutschland auf den Punkt. Deutschland steht laut ROG auf Platz 14 von 180 des internationalen Vergleichs der Pressefreiheit. Es sind also zwei vollkommen unterschiedliche Situationen, die nicht in direktem Vergleich stehen sollten. Dennoch stehen wir auch nicht auf Platz 1 und dafür gibt es Gründe:
Auf der Medienreise kam dieses Thema immer wieder auf den Tisch. Vor allem bei der Podiumsdiskussion im Goethe Institut, wurde seitens russischer Besucher angemerkt, dass das deutsche Mediensystem ja auch nicht wirklich frei ist. Wir als Medienmanager müssten es eigentlich wissen: Der enorme wirtschaftliche Druck, der die Verlage und Redaktionen schon seit geraumer Zeit belastet schränkt natürlich auch den dahinterstehenden Journalismus ein. Für Recherchen bleibt weniger Zeit und auch das Personal wird stellenweise gekürzt. Durch den Zeitdruck und die Personalsituation kann es passieren, dass Themen nicht mehr gründlich genug recherchiert werden. Bestes Beispiel dafür ist die immer stärkere Vereinheitlichung der Quellen, sodass natürlich auch die Inhalte sich langsam angleichen. Und diese Vereinheitlichung ist schon lange ein Diskussionsthema, da sie selbst vor den angesehenen überregionalen Zeitungen nicht Halt macht, die lange Zeit für hochwertige Inhalte standen.
Da frage ich mich, wie können wir dieser Vereinheitlichung entgehen? Ist das Internet, die Blogosphäre tatsächlich eine echte Alternative? Fishman und Scholl halten das für fragwürdig, schließlich fehlt dem deutschen Bürger die Vorselektion und allein die schiere Menge an Informationen im Internet macht es schon fast unmöglich sich umfassend und objektiv zu informieren. Außerdem erfolgt die Kontextualisierung und Bewertung von Inhalten online meist sehr subjektiv ohne die Offenlegung der dahinter-stehenden politischen und weltlichen Gesinnung, die bei großen Medientiteln bekannt ist.
Geheimdienste als Gefahr für die Medienvielfalt
Die Pressesprecherin der ROG, Silke Ballweg, nennt in einem Telefonat zahlreiche Einschränkungsgefahren für die deutschen Medien: Die Überwachung durch den deutschen und andere Geheimdienste, ein aktuell ja sehr brisantes Thema, schränkt auch die journalistische Arbeit stark ein. Bei der Überwachung von Journalisten, können diese keine Sicherheit mehr für Informanten gewährleisten, wodurch es immer schwerer wird an exklusive Informationen aus erster Hand zu gelangen. Zum Thema verweise ich auf ein wirklich spannendes Experiment der ARD mit Journalist Peter Onneken unter dem Titel „Exklusiv: Zugriff! Wenn das Netz zum Gegner wird“ – filmreife Realität.
Selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist betroffen
Auch die Zusammenstellung der ZDF-Gremien ist schon jahrelang ein umstrittenes Thema. Nun gibt es ein EUGH-Urteil zum ZDF-Staatsvertrag, das den zu großen politischen Einfluss auf das ZDF moniert. Die Folge dessen: Die Aufsichtsgremien des ZDF sollen refomiert werden. Und eben dies ist der kleine, aber feine Unterschied: Wir haben zwar kein absolut freies Mediensystem. Aber es wird nach den Fehlern des Systems gesucht und der Einsatz, eben daran etwas zu verändern, wird am Ende belohnt.
Konzentrationstendenzen in Deutschland nehmen uns ein Stück Pluralismus
Die derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklungen, die vor allem im Printmarkt zu beobachten sind, schmälern die inhaltliche Vielfalt unserer Presselandschaft. Allerdings stehen die Zeitungen vor so großen wirtschaftlichen Herausforderungen, dass sie keine andere Wahl haben als den Weg der Konzentration zu wählen. Trotzdem besteht zumindest ein crossmedialer Pluralismus. Der wirtschaftliche Druck lässt auch den Erwartungen der Leser, Zuhörer und Zuschauer eine größere Bedeutung zukommen, um Auflage oder Quote zu machen fallen uns allen direkt Begriffe wie Sensationsjournalismus oder Negativität ein.
Niemand ist völlig frei den eigenen Wertvorstellungen und Interessen
Auch die hinter den Redaktionen stehenden Medienhäuser verfolgen Interessen, die bei der Berichterstattung nicht immer unberücksichtigt bleiben. Die Werbeerlöse sind beispielsweise nach wie vor ein wichtiges Erlösstandbein und wie viele Medienunternehmen können es sich erlauben Werbetreibenden mit kritischer Berichterstattung vor den Kopf zu stoßen? Und schließlich ist der Journalist selbst auch nicht immer objektiv. Auch er hat Weltvorstellungen und persönliche Präferenzen, die die Tonalität seiner Arbeit mitbestimmen.
Journalistisches Arbeiten unter erschwerten Bedingungen
Aber auch die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Behördeninformationen und die dabei anfallenden Gebühren sind keine ideale Grundlage für professionellen Journalismus.Außerdem gibt es auch hier Gefahren, denen sich Journalisten in Deutschland unter bestimmten Bedingungen aussetzen: Zuletzt gab es in Magdeburg eine Demonstration von Neonazis, die mit Parolen wie „Der Presse auf die Fresse“ titelte. Auch Islamisten und Kriminelle drohen deutschen Journalisten immer wieder.
Das Russlandbild der deutschen Medien
Die deutsche Berichterstattung über Russland ist von Klischees und Stereotypen geprägt. Die gemeinsame Geschichte in mehreren großen Kriegen und die Zeit des kalten Krieges, ließ Russland schon lange eine große Präsenz in den deutschen Medien einnehmen. Staatstreue und Rückständigkeit werden in Verbindung mit Russland immer wieder thematisiert. Seit mit Putin der wirtschaftliche Aufschwung dank der Öl- und Gasförderung erfolgte, herrscht vor allem die Angst vor der Abhängigkeit von Russland in den deutschen Medien vor. So kommt es, dass die deutschen Medien sich vor allem mit der russischen Demokratie, der vorherrschenden Rechtstaatlichkeit und der Medienfreiheit auseinandersetzen. Dabei kommt es meist zur starken Kürzung und Vereinfachung über die bekannten Stereotype, um komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen. Nicht selten fallen so auch die fehlenden Russland-Kenntnisse des Journalisten nicht auf. Diese Gewohnheiten in der Berichterstattung über Russland müssten eigentlich auch Mal beiseite gelegt werden, um einen unverfälschten Blick auf das Land zu werfen. Auch wenn die Freiheit der Medien in Russland eingeschränkt ist, heißt das z.B. nicht, dass die Berichterstattungen über Deutschland oder Ereignisse in der Ukraine von vornherein falsch sind.
Hierbei darf man nicht vergessen, dass auch wir in unserer Geschichte auf fehlende Pressefreiheit und Zensur zurückblicken können und das duale Mediensystem und die darauf aufbauende Medienvielfalt in Deutschland vor allem so schnell etabliert werden konnten, weil die Alliierten sich der deutschen Medienlandschaft annahmen.
8 Punkte von 10 für die deutsche Pressefreiheit
2 Punkte von 10 für die russische Pressefreiheit. Wir können schon von Glück reden, in einer so freien Gesellschaft zu leben. Hier darf jeder seine Meinung vertreten, egal wie bizarr sie auch sein mag. Unser Mediensystem kann an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch verbessert werden und vor allem auf die Konsolidierung im klassischen Medienmarkt sollten wir ein Auge richten. Aber durch das duale Mediensystem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Meinungsfreiheit als im Grundgesetz verankertes Recht für Jedermann sind unsere Freiheiten wesentlich größer als die Einschränkungen. Um noch einmal auf Nikolais Zitat zurückzukommen: Von einem Schnupfen kann man sich ziemlich schnell erholen, wenn man weiß, was zu tun ist. Die Behandlung von Krebs oder Aids ist da wesentlich komplexer.