Ein Auslandstrimester in Zeiten einer Pandemie, mit der Gefahr auf einen Lockdown, der alles andere als eine Light-Version ist. Warum Antonia Wolfram die Zeit in Paris trotzdem genießt, verrät sie in ihrem persönlichen Bericht.
DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT / AUSLANDSBERICHTE
Non, je ne regrette rien – Ein Auslandsaufenthalt unter ungewöhnlichen Bedingungen
Nun ist genau das Worst-Case-Szenario eingetreten: Ein kompletter Lockdown liegt über Frankreich. Seit zwei Wochen darf ich mein kleines Appartement in Les Batignolles nur für maximal eine Stunde im Radius von einem Kilometer verlassen. Will ich einen Schritt vor die Türe setzen, so benötige ich ein „attestation“ auf dem die Uhrzeit, Adresse und der Grund des Ausfluges festgehalten sind. Die Uni findet online statt. Die Geschäfte, Bars und Restaurants sind geschlossen. Mein Hamburger Anker in Paris, Claudia, wohnt etwa vier Kilometer von mir entfernt, beim Place de la Bastille. Nicht mal wir dürfen uns noch bei einem Spaziergang zuwinken.
Als ich im September bei gefühlten 30 Grad in Paris ankam, blühte die Stadt voller Leben, auch wenn auf den Straßen bereits Maskenpflicht herrschte. Mir fiel bald auf, man kommuniziert dadurch mehr mit den Augen – oder blicken sich Pariser*innen generell tiefer in die Augen als man es im Norden Deutschlands gewohnt ist? Ich versuche mich unter die Einheimischen zu mischen und spreche Fremde auf der Straße an. Ich klingle bei Nachbarn und frage, ob jemand mit mir Wein trinken möchte. Ich suche Gleichgesinnte in Facebook-Gruppen wie „Musiker in Paris“ oder für ungezwungene Treffen in Muttersprache „Deutsche Mädels in Paris“.
Um mir trotz des Virus in einer Stadt mit hohen Infektionszahlen ein einigermaßen sicheres Gefühl zu geben, verzichte ich auf die Metro und besorgte mir ein Rad. Zur Uni strampele ich gut eine Stunde und erledige somit gleich mein Sportprogramm. Sonst vermeide ich es viel in Restaurants oder Bars zu sitzen – was nicht so schwer ist, weil es hier so viele schöne „terasses“ gibt.
Die Paris School of Business ist eine amerikanisierte Business School mit internationalem Fokus. Auch wenn sie mit ihrem Plattenbau im 13. Arrondissement nicht gerade sehr einladend glitzert, werden wir als Auslandsstudierende herzlich aufgenommen. Mit fünf Kursen pro Woche fühle ich mich angenehm eingespannt. Auffällig sind die vielen Gruppenarbeiten, Präsentationen und die stets geforderte Spontanität. Die Kurse sind sehr interaktiv und fordern vollste Anwesenheit. Mein persönliches Highlight war ein Projekt im Fach International Business Development, bei dem wir für ein Unternehmen unserer Wahl (Ecosia) eine neue Wachstumsstrategie pitchen durften.
Die nächsten, eher einsamen Wochen werde ich mir mit Sport, Spaziergängen in der Gegend und dem Schreiben von neuen Songs für meine EP vertreiben. Außerdem stehen Mitte Dezember auch Prüfungen an. Wenn mir der Lockdown zu Kopf steigt – das passiert gar nicht so selten – dann jogge ich durch Montmartre, vorbei an Sacré-Cœur und sobald ich auf Polizei stoße, heißt es nur noch reeennen! So schnell es geht zurück in den erlaubten Radius. Das mag anstrengend klingen. Doch es hilft mir, dies lediglich als Intervalltraining zu betrachten.
Nun zurück zur Ausgangsfrage: Ein Auslandstrimester in Zeiten einer Pandemie – warum? Ich wollte unbedingt erfahren, wie es ist, eine internationale Uni im Ausland zu besuchen und in einer fremden Sprache zu studieren. Da die Studienzeit in meinem Leben bald Geschichte sein wird, musste ich trotz der besonderen Umstände diese Chance ergreifen. Ich würde mich ansonsten später immer fragen: Wie wäre es gewesen, wenn? Und das ist für mich eine vermeidbare Frage. Um es mit französischem Nachdruck zu formulieren: Non, je ne regrette rien!
À bientôt und viele Grüße aus Paris nach Hamburg, Antonia MM21