HMS - BLOG

DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT / PRAXISPROJEKTE

Praxisprojekte als Schaufenster des Studiengangs DMM

von ANDREAS WREDE am 24.10.2023

Schon vor der eigentlichen Gründung der HMS war klar, dass sie Teil des Curriculums im Studiengang Digital- und Medienmanagement werden sollten: die Praxisprojekte. Was sich dahingehend in den letzten zwanzig Jahren getan hat, und wie es überhaupt dazu kam, darüber spricht Andreas Wrede mit zwei der HMS-Gründungsväter- und -mütter Ulrike Meier und Prof. Dr. Armin Rott.

C Hamburg Media School Interview Meier Rott HR51314

Andreas Wrede: Was hat ein Berliner Hinterzimmer mit der Gründung der Hamburg Media School zu tun?

Ulrike Meier: Man könnte sagen, es begann mit einem klapprigen Flipchart, das stand nämlich in dem Zimmer…und Berlin deswegen, weil ich damals vor 20 Jahren zwei Wochen vor der Entbindung meiner zweiten Tochter stand. Deswegen kam Ende November 2002 ein wildes und begeistertes Team zu mir nach Berlin.

Und wann kamst du dazu, Armin?


Armin Rott: Etwas später, als das akademische Personal aufgestockt wurde – aber eigentlich war ich sogar noch vor Ulrike dabei, denn es gab eine Vorstudie zur Gründung und Funktion der Hamburg Media School, an der ich beteiligt war. An meinem ersten Arbeitstag an der HMS, die ja in einer ehemaligen Geburtsklinik untergebracht ist, liefen Ärzte und Krankenschwestern über die Flure – ich war verwundert. Es stellte sich dann heraus, dass es ein Filmdreh war.

Ende 2002, Anfang 2003 wurde dann das erste Curriculum entwickelt, darin fanden sich schon die Praxisprojekte. Deren Institutionalisierung war ja nicht gänzlich unumstritten…


Ulrike Meier: Ich habe die Praxisprojekte als eine naheliegende und nachvollziehbare Idee gehalten, Praxis und Theorie sollten im Studium an der HMS miteinander verknüpft werden.

Armin Rott: Ich war anfänglich skeptisch, was dieses Konzept anging. Es schien mir etwas vermessen, Studierende auf so große Projekte loszulassen. Benjamin Benedict, der in der ersten Zeit die Praxisprojekte betreut hat, bewies dann aber, dass wir unserem hohen Anspruch gerecht werden können. Ulrike Meier hat dies dann bis heute dankenswerterweise immer weiter optimiert.

Kannst du uns erklären, was genau es nun mit einem Praxisprojekt auf sich hat?


Ulrike Meier: Praxisprojekte sind studentische Beratungsprojekte mit Teams von drei bis fünf Studierenden, die über zwölf Wochen an der Fragestellung eines Unternehmens arbeiten. Im ersten direkten Kontakt mit Kundinnen und Kunden tauscht man sich aus – mal analytischer, mal kreativer. In jedem Fall haben wir es insgesamt mit einem klassischen Consulting-Projekt zu tun. Mittlerweile haben wir über 230 Projekte mit einer Vielfalt von Auftraggebern gemanagt.

Was macht für die Studierenden den besonderen Reiz der Praxisprojekte aus?


Armin Rott: In der Lebensphase, in der sich unsere Studierenden befinden, möchte man sehr gern seine Selbstwirksamkeit testen und im Praxisprojekt kann man sowohl im theoretischen Ansatz als auch in der praktischen Umsetzung erfolgreich sein. Aber natürlich ist auch wichtig, wissenschaftlich sauber zu arbeiten.

Ulrike Meier: Das Schöne ist, wir können es uns leisten, Empfehlungen – auch kritischer Art – auszusprechen, denn ein Praxisprojekt ist keine Self-fulfilling Prophecy…

Armin Rott: …und um im Lebenslauf schreiben zu können, dass man mit großen Unternehmen zusammengearbeitet hat, ist ebenfalls eine gute Sache. Und es werden immer wieder einzelne Studierende oder ganze Teams nach Abschluss des Projekts von den Unternehmen übernommen.

Wie viele Praxisprojekte gibt es im Rahmen des Masterstudiums an der HMS?


Armin Rott: Abgesehen von einem Übungsprojekt im ersten Studienjahr insgesamt drei. Beim ersten sind die Studierenden oft noch unsicher, beim zweiten sind sie schon anders, fokussierter und sozialisiert, beim dritten wissen sie dann, wie’s geht.

Ulrike Meier: Durch dieses Tal der Tränen müssen die Teams aber auch durch – zumal es eine riesige Themen-Bandbreite im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte gab und auch weiterhin noch geben wird. Wir haben etwa mal einen Online-Marktplatz für den Reitsport erarbeitet und die Präsentation fand dann neben einem ausgestopften Krokodil statt. Okay, das war eher skurril.

Armin Rott: Wir hatten auch schon Sport als Therapie-Form im Umfeld von Depressionen, eine umfängliche Marktanalyse zum Thema Entertainment, den einstigen Trend zum Second Screen oder die Entwicklung von Social-Media-Strategien, etwa für den Pears Jüdischer Campus in Berlin, ein Pro-bono-Projekt.

Gab es auch schon mal Konflikte mit Kund:innen?


Ulrike Meier: Große oder kleine Konflikte gibt es immer mal wieder. Meistens können allerdings die Teams sie selbst bewältigen. Manche:r Kund:in begreift aber nicht, dass man mit einem Praxisprojekt einen Rohdiamanten präsentiert bekommt. Und da wird es schon mal unverfroren. Kürzlich sollte ein weibliches Team bei einer Abend-Veranstaltung als Garderobiere eingespannt werden – da haben sie entschieden „Nein“ gesagt, völlig zu Recht.

Armin Rott: Eines meiner liebsten Praxisprojekte musste bei dem internationalen Verlag Random House in London präsentiert werden, da flog ich mit. Es ging um das Thema E-Books. Die Studierenden wollten aus Demonstrationszwecken ein Buch zerreißen und ein Kabel reinstecken, um das Thema drastisch zu illustrieren. Im Vorfeld hatte ich davon abgeraten. In einem Verlag ein Buch zu zerreißen, hielt ich für keine gute Idee. Aber hinterher, als die Studierenden dies doch taten, war die besonders strenge Kontaktperson bei Random House von dieser plastischen Präsentation begeistert. Das haben wir hinterher im Hyde Park etwas gefeiert.

Inwiefern hat sich in der Strukturierung der Praxisprojekte in den vergangenen Jahren etwas verändert?


Ulrike Meier: In der Art und Weise, wie wir Praxisprojekte angehen, würde ich sagen, hat sich nicht so viel verändert. Inhaltlich hat sich hingegen viel getan. Anfänglich ging es ganz oft um Markteintrittsstrategien inklusive Konkurrenzanalysen. So um 2010 herum kam das Über-Thema Digitalisierung auf. Die Digitalisierung der Buch-Branche, der Kino-Branche, der Print-Branche. Und es galt, neue Geschäftsfelder zu erschließen, neue Geschäftsmodelle zu entwerfen.

Armin Rott: Das Anbahnen und das Vereinbaren der Aufträge für die Praxisprojekte wurde nach und nach entscheidend verbessert. Daran hatte und hat Steffi Kirschbaum als Verantwortliche im Studienbüro erheblichen Anteil.

Ulrike Meier: Ein weiterer Trend war und ist noch, dass junge Zielgruppen im Blickfeld stehen – wie erreicht man sie mit neuen Print-Produkten, wie müssen mediale Online-Angebote aussehen, was wären neue, spannende Medien-Formate? Und – in letzter Zeit oft nachgefragt – ist das Thema Employer Branding bzw., wie können Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels junge Talente gewinnen und geschätzte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen halten?

Armin Rott: Nicht zu vergessen das Thema Podcast: Die OMR-Podstars sind aus einem Praxisprojekt an der HMS hervorgegangen. Mittlerweile haben die Podstars neunzig Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sind das führende Podcast-Netzwerk auf dem deutschen Markt und einer aus dem damaligen Team ist in der OMR-Geschäftsführung, wie übrigens auch eine andere HMS-Alumna.

Ulrike Meier: Mit dieser besonderen, intensiven und erfolgreichen Form von Praxisprojekten hat sich die HMS schon eine Alleinstellung im Hochschul-Umfeld geschaffen. Abgesehen davon, dass sich das Netzwerk der HMS durch die Praxisprojekte in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorm erweitert hat. Und für die Studierenden ist es natürlich großartig, dass ihre Konzepte eben nicht in Schubladen verschwinden, sondern umgesetzt werden von den Kund:innen in den Unternehmen, Konzernen oder Start-ups.

Es hat ja mithin oft Pro-bono-Projekte gegeben. Welches würdest du besonders hervorheben wollen?


Ulrike Meier: Da wäre „Aus der Stille in den Klang“ zu nennen, das ja auf deine Initiative, Andreas, zur HMS kam. Das Engagement der Studierenden hinsichtlich eines umfänglichen Konzepts zur Öffentlichkeitarbeit für hörgeschädigte Kinder mit Cochlea-Implantat war unglaublich – das bewegt mich noch heute. Unter anderem wurde aufgrund der Idee der Studierenden eine NDR-Dokumentation zu „Aus der Stille in den Klang“ gedreht, und es fand ein großes Konzert in Hannover statt, auf dem die Kinder am Klavier und mit Geigen musizierten.

Armin Rott: Wichtig ist uns auch, den Studierenden mitzugeben, dass sie sich schon beim ersten Kick-off-Meeting mit dem Kunden oder der Kundin auf Augenhöhe bewegen. Zumal sie ja wissen, dass wir sie im Zweifelsfall nicht im Regen stehen lassen. Jedenfalls müssen die Studierenden niemandem nach dem Mund reden.

Ulrike Meier: Wir ermutigen zudem dazu, andere Formate auszuprobieren, etwa den Auftraggebenden einen Workshop zu Beginn des Praxisprojektes vorzuschlagen, um alle relevanten Personen an einen Tisch zu bekommen. Die Studierenden sollen sich in den Praxisprojekten ausprobieren und sich etwas trauen, um den Prozess zu starten.

Armin Rott: Wichtig ist selbstverständlich die wissenschaftliche Herleitung der Empfehlungen: Die Kunden und Kundinnen müssen klar verstehen, warum die Studierenden diese oder jene Lösung für das jeweilige Thema favorisieren. Die Herleitung muss stets nachvollziehbar, transparent und plausibel sein.

Haben sich die Rahmenbedingungen für Praxisprojekte verändert?


Ulrike Meier: Also, die Rahmenbedingungen sind teilweise andere, aber das Methoden-Gerüst, mit dem wir Praxisprojekte angehen, ist stabil und wird gegebenenfalls aktuellen Entwicklungen angepasst. Das Feedback der Kunden und Kundinnen ist durchweg positiv. Praxisprojekte waren, sind und bleiben das Schaufenster des MBA-Studiengangs Digital- und Medienmanagement der Hamburg Media School.

Vielen Dank für das Gespräch.