Kürzlich veröffentlichte der Bundesrechnungshof seine Stellungnahme zu dem Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) zur geplanten „Förderung der digitalen Transformation im Verlagswesen“. Vorangegangen waren verfassungsrechtliche Schritte von Krautreporter-Gründer und JIP-Beiratsmitglied Sebastian Esser. Er war rechtlich gegen die Subventionsmaßnahmen des BMWi vorgegangen und hatte dadurch eine Prüfung durch den Bundesrechnungshof ausgelöst. Im Interview erzählt er uns, was die Gründe dafür waren.
WEITERBILDUNG / MEDIA INNOVATION PROGRAM
Presseförderung vs. Pressefreiheit?
Wie kam es dazu, dass ihr im Fall der „Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens“ des BMWi aktiv geworden seid?
Die Entstehungsgeschichte der Förderung liegt etwas im Dunkeln. Sie ist hat Zuge der zweiten Corona-”Bazooka” im Sommer 2020 quasi über Nacht das Licht der Welt erblickt. Ohne eine Plenardebatte und ohne, dass Opposition und Öffentlichkeit vorher etwas davon wussten. Das kam uns damals schon komisch vor, weil es den Eindruck machte, als würde man das Förderpaket in den Nachtragshaushalt „reinschmuggeln“ wollen. Und dann auch noch so eine enorme Summe. Jetzt kann man natürlich den Standpunkt vertreten: Den Medien geht es schlecht und es ist toll, dass Geld ins Ökosystem fließt. Allerdings sollte mit dieser Fördersumme ausschließlich unsere Konkurrenz gefördert werden. Wenn Steuergeld fließt, so unser Standpunkt, sollte es zu gleichen Bedingungen an alle fließen. Aber stattdessen sollten nur gedruckte Medien profitieren – die aber ja digitale „Plus-Abos“ anbieten und damit in direkter Konkurrenz zu Krautreporter und zu den über 1.400 Steady-Publishern stehen. Dann haben wir mit der Politik gesprochen und die Öffentlichkeit gesucht. Es war aber alles bereits beschlossen. Also haben wir einen Anwalt eingeschaltet.
Was hätte diese Förderung für die neuen Medien bedeutet – und was für die Pressefreiheit im Allgemeinen?
Es hätte die digitale Transformation des Journalismus in Deutschland verlangsamt. Es hätte die bestehenden Strukturen zementiert. Denn in Wirklichkeit ging es gar nicht um die Finanzierung des digitalen Wandels. Es wären lauter Sachen finanziert worden, die die Verlage sowieso auf dem Zettel hatten. Da hätten die Verlage umgeschichtet und unterm Strich einfach mehr Geld zur Verfügung gehabt, um Produkte im Markt zu halten, die schon bald kein Geld mehr verdienen. Der Transformationsprozess hätte einfach noch länger gedauert. Es wären Subventionen gewesen, um Strukturwandel heraus zu zögern – noch dazu wären digitale Medien die Leidtragenden gewesen. Außerdem ist es auch eine generationelle Ungerechtigkeit: Die Print-Leser sind im Schnitt sehr viel älter als Digital-Leser, denen Informationen in digitaler Form oft nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel im Lokalen. Mit unserem Einschreiten haben wir erreicht, dass sich der Medienwandel nicht nochmal verlangsamt hat – auf Kosten der Allgemeinheit.
Der Bundesrechnungshof schreibt in seiner Stellungnahme: „Bei der Berechnung des Förderschlüssels zog das BMWi ungeprüft die Angaben der Verlagsbranche heran. Der Bundesrechnungshof sieht den Einfluss der Verlagsbranche auf das Förderprogramm insgesamt kritisch.“ Wie bewertest du diese drastische Stellungnahme und welche Konsequenzen wären nun wünschenswert?
Die Stellungnahme ist sehr deutlich, besonders für so eine Institution. Und das ist auch richtig, denn ob es den Verlagen wirklich schlecht geht, weiß kein Mensch. Das sagen die Verlage und das sagt auch der BDZV, aber deren Zahlen hat das BMWi einfach so geglaubt, statt sie zu überprüfen. Auf den Angaben der Subventionsempfänger können keine Subventionen basieren, das muss jedem ersichtlich sein. Ein solcher Vorgang wäre übrigens auch in jedem anderen Fall in der gedruckten Presse heftig kritisiert worden – zu diesem Fall gibt es aber bis heute keinen einzigen Artikel! Das ist Vetternwirtschaft, Klientelpolitik. So etwas sollte in Deutschland eigentlich nicht möglich sein und ist es glücklicherweise ja auch nicht, dank unabhängiger Institutionen wie dem Bundrechnungshof und dem Bundesverfassungsgericht. Aber hätten wir nicht auf unser Recht bestanden, hätte das BMWi das durchgezogen und über 200 Millionen Euro wären längst geflossen, pünktlich zur Bundestagswahl.
Aus internen Mails des BDZV geht hervor, dass die Verlage ihre Abgeordneten über Jahre bearbeitet haben. Die gedruckte Presse kommt hier nicht ihrer Wächter-Funktion nach, wie es in einer Demokratie eigentlich vorgesehen ist. Und sie tun es nicht, weil sie davon profitiert hätten. Darüber redet niemand, was ich hochproblematisch finde. Das ärgert mich auch als Journalist enorm, weil es der Glaubwürdigkeit des Berufs schadet.
Fehlt eine Lobby für die neuen Medien?
Ja, die fehlt. Es bräuchte eigentlich einen Verband unabhängig digitaler Medien. Es gibt auch viele Publisher, die sofort dabei wären. Das Problem ist, dass die finanziellen Mittel dafür nicht zur Verfügung stehen. Es kostet Geld, es kostet Zeit und die hat niemand von uns. Natürlich bräuchte es das unbedingt, besonders, wenn dann die neue Bundesregierung sich etwas Ähnliches überlegt. Dann würden wir gern mit am Tisch sitzen – denn es steckte oft kein böser Wille dahinter. Wir waren einfach zu irrelevant. Das darf uns nicht nochmal passieren.
Was sind eure nächsten Schritte in diesem Fall?
Wir bemühen uns zunächst darum, herauszufinden, was genau passiert ist. Denn aus der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes geht hervor, dass die Kulturstaatsministerin auch an diesem Prozess beteiligt war. Das ist eine neue Information. Das wiederum deutet darauf hin, dass zumindest das Bundeskanzleramt seine Finger mit im Spiel hatte. Außerdem bleibt abzuwarten, welche Koalition nach der Wahl das Land regieren wird und wie sich die Parteien diesbezüglich positionieren. Klar ist: Dieses Thema ist noch nicht vorbei und wir müssen zusehen, dass wir uns Gehör verschaffen.