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Strand und Shakshuka - ein Auslandstrimester in Tel Aviv

von DAVID HÄNSSLER am 14.05.2019

Drei Monate waren Yannick Pieper und David Hänssler in Tel Aviv und haben somit ihren 5. Term für ein Auslandstrimester genutzt. Im Interview geben Sie ihre Eindrücke wieder.
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Lieber Yannick, lieber David,

Um einen ersten Eindruck über euren Auslandsaufenthalt in Tel Aviv zu bekommen: Wie sah ein gewöhnlicher Wochentag für euch aus?


Y: Erstmal mit frischem Granatapfelsaft und Arabic-Coffee (Kaffee mit Kardamom) auf dem Rooftop unseres Hauses in Jaffa (Gemeinsam mit 40 Bewohner*innen) in den Tag starten und dann Dada suchen.

D: Haha, ja. An perfekten Tagen hab ich das Frühstück ausgelassen und bin morgens erstmal an den Strand (das waren 5min Fußweg), um eine kleine Runde surfen zu gehen - die Wellen sind in Israel allerdings so semi beständig. Yannick musste mich also nicht zu oft suchen...

Y: Stimmt. Aber dann haben wir meistens vor dem Mittag (in der Regel Hummus) einige Sachen für die Uni gemacht. Dadurch, dass in Tel Aviv der durchschnittliche Master-Studierende etwas älter als bei uns und berufstätig ist, finden die Seminare überwiegend am Nachmittag, bzw. am Abend statt. Das bedeutet dann auch mal Kurse bis 22:30 Uhr, dafür aber auch keine 8:00 Uhr morgens Termine.

Wie können wir uns denn generell euer Unileben vorstellen?


D: Auf jeden Fall anders als in Deutschland! Während der Anspruch recht hoch ist, sind alle im Umgang sehr locker. Es wird viel mehr über Hausarbeiten bzw. Papers geprüft, dafür gibt es nur sehr wenige Klausuren.

Y: Die MBA-Kurse an der Coller School waren meist kleine Gruppen wie an der HMS und vor allem interaktiv und diskussionslastig. Unsere freiwillig zusätzlich gewählten Kurse an der TAU (Politikwissenschaften und Middle East Studies) hingegen waren in größeren Gruppen und eher klassische Vorlesungen. Die waren dann auch mal etwas früher am Tag, aber glücklicherweise sind alle Fakultäten der Tel Aviv University auf einem riesigen Campus nah beieinander.
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Woher waren eure Kommiliton*innen an den zwei Fakultäten und wie habt ihr es mit der Sprache gemacht?

Y: Während wir an der Coller School vor allem europäische Auslandsstudierende waren und nur vereinzelt auch Israelis die ihren MBA auf Englisch absolvieren, waren es an der TAU vor allem jüngere US-Amerikaner*innen. Alle Kurse waren in englischer Sprache, wir hatten an der Uni also gar keine Probleme. Insgesamt kommt man aber auch so in Israel fast überall mit English zurecht. Und zur Übersetzung des hebräischen oder arabischen Alphabets auf Karten oder Schildern hat uns die Foto-Funktion von GoogleTranslate sehr geholfen.

Habt ihr denn vor allem mit anderen Austauschstudent*innen zu tun gehabt oder konntet ihr auch Israelis besser kennen lernen?


D: wir hatten diesbezüglich echt Glück. Zum einen hatte unser Shared House ca. 40 Bewohner*innen, wovon viele über einen längeren Zeitraum in Israel waren, bzw. auch Israelis. Gleichzeitig konnten wir über Viva con Agua (David arbeitet ehrenamtlich für die NGO) Israelis einer Partner-Kultur-NGO kennenlernen. Das ist dann gleich in der zweiten Woche passiert und wir wurden direkt in deren Freundeskreis etc. integriert. Da sind auf jeden Fall sehr gute Freundschaften entstanden und wir sind auch nach wie vor in Kontakt.
Mit den Kommiliton*innen waren wir dann vor allem an Feiertagen und in den Semesterferien reisen.
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Wo wart ihr überall reisen und wie habt ihr die Sicherheitslage wahrgenommen?

Y: Nachdem wir uns in Tel Aviv eingelebt haben, sind wir ein bisschen in den Norden Israels gereist. In der ersten Uni-Woche ging es mit der Coller School auch direkt nach Jerusalem. An Checkpoints und bewaffnete Sicherheitskräfte muss man sich als Europäer anfangs etwas gewöhnen, aber ich habe mich immer sehr sicher gefühlt.

D: Ja, schon nach den ersten Tagen war uns klar, das wir viel reisen können und wollen. Mit Bussen, Zügen und Mietwagen ist man in ganz Israel innerhalb von ein paar Stunden. Auch die Reisen nach dem ersten Modul (1 HMS-Trimester sind ca. zwei Module) nach Jordanien oder auf den Sinai(Ägypten) waren problemlos möglich. Wir sind auch mehrmals in die palästinensischen Gebiete in der Westbank gereist. Wenn man aus Europa kommt und keine Grenzkontrollen etc. kennt, ist das schon ein komisches Gefühl an kilometerlangen Mauern und ganzen Zaunlandschaften mit Militär etc. vorbeizufahren. Auch dass es für uns Außenstehende so einfach ist, diese Grenzen zu überqueren, während Palästinenser und Israelis weitestgehend voneinander getrennt leben und auch wenig Möglichkeiten haben auf die andere Seite der Grenze zu kommen, ist ein komisches Gefühl. Aber es ist sehr einfach gewesen die Grenzen zu Palästina, Jordanien und Ägypten zu überqueren und wir haben uns auch nie irgendwo unsicher gefühlt - ich denke da gibt es Stadtteile in Europa, in denen ich mich nachts auf der Straße unsicherer fühlen würde.

War das in Tel Aviv auch so?


Y: Es gab schon sichtbare Unterschiede zwischen dem Leben in Tel Aviv, Jerusalem und anderen, arabisch geprägten Städten wie Akko oder Nazareth. Aber sicher gefühlt hab ich mich überall. Wobei der Verkehr in Tel Aviv schon auch mal sehr chaotisch sein kann. Aber das ist in anderen Großstädten auch nicht anders. Der Vergleich zu Berlin (Tel Aviv = Berlin + Strand) passt da schon ganz gut, auch was die Dynamik und Bevölkerung angeht. Beide Städte sind sehr jung und international.

D: Auch mit Blick auf die Start-up-Szene sind die beiden Städte sehr ähnlich. In der Stadt leben viele junge Menschen, die etwas ändern oder erreichen wollen, in TLV soll es allerdings mehr Start-ups als in komplett Deutschland geben. Das ist schon verrückt - man merkt im Alltag schon, dass in Israel und v.a. in TLV Start-ups eine große Rolle spielen. Innovationen werden deutlich intensiver gefördert und es gibt in der Stadt unzählige Meet-ups und Konferenzen für (angehende) Gründer*innen. Ich war auch hin und wieder bei Python- oder Chatbot-Workshops in diversen Co-Working-Spaces. Für eine Stadt, die nicht mal halb so viele Einwohner wie Hamburg hat, passiert schon richtig viel. Da kann man sich in Deutschland auf jeden Fall einiges anschauen.
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Wenn ihr nicht gerade in der Uni oder auf reisen wart, wie muss man sich sonst euren Auslandsaufenthalt vorstellen?

D: Durch das milde Winterwetter meistens draußen, bis in den November auch häufig am Stand. Wie schon erwähnt, ging es dann eher Nachmittags los zur Uni. Trotz der geringen Entfernung von 10km dauerte unser Weg durch das überlastet Bus- und Zugnetz eine Stunde.

Y: Eine wichtige Konstante in unserem Leben in Tel Aviv war der Sabbat. Fast immer sind wir gemeinsam mit einem Teil unserer Hausbewohner auf den Markt gegangen, um das Gemüse und Obst abzuholen, welches nach dem Shabbat nicht mehr verkauft werden kann. Pünktlich vorm Sonnenuntergang ging es dann zurück zum Haus, wo wir für und mit allen Bewohner*innen gekocht und jede Woche einen schönen gemeinsamen Abend verbracht haben. Häufig gab es danach dann noch Konzerte, Theatershows oder gemeinsame Feiern.
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Als letztes noch eine Frage:

Was ist euer Nummer 1 Argument, um zukünftigen Studierenden an der HMS das Auslandstrimester in TLV schmackhaft zu machen?


D: Puuuh, schmackhaft... dann auf jeden Fall Hummus-Shakshuka!

Y: Das wäre auch meine erste Assoziation, aber mal abseits vom weltbesten Essen: Wo sonst kann man den Herbst noch am Strand verbringen, gleichzeitig an einer sehr guten Universität studieren und dazu eine komplett andere Kultur kennenlernen?
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