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DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT / PRAXISPROJEKTE

Verjüngung des Theaterpublikums – Das Praxisprojekt für die Hamburger Kammerspiele

von JIL BRONZEL am 10.05.2024

Seit der Pandemie ist die Anzahl der Theaterbesucher:innen zurückgegangen – ein Trend, der über alle Altersgruppen hinweg zu beobachten ist. Traditionelle Kultureinrichtungen wie die Hamburger Kammerspiele, die derzeit von der Stäitsch Theaterbetriebs GmbH betrieben werden, sehen sich mit der großen Herausforderung konfrontiert, ihr Publikum ins Theater zurückzuholen und gleichzeitig ein neues, junges Publikum anzusprechen. Wie bewegt man insbesondere junge Menschen dazu, ins Theater zu gehen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Praxisprojekts, dem sich das engagierte, vierköpfige Team der HMS-Studierenden, bestehend aus Luzie Roscher, Viktoria van Evert, Lukas Marx und Jil Bronzel, widmete.

Gruppenfoto Kammerspiele

Das Team bekam eine exklusive Führung durch die Kammerspiele

Wie geht man an so ein umfassendes Projekt heran? Zu Beginn hat sich das Team zusammengesetzt und in einer interaktiven Brainstorming-Sitzung das eigene Projektverständnis geschärft, beginnend mit der Fragestellung an jeden einzelnen: „Warum gehe ich persönlich nicht ins Theater?“ Teamübergreifend kam das Ergebnis heraus, dass das Theater als Freizeitaktivität in der jungen Generation nicht so präsent ist wie andere kulturelle Veranstaltungen, wie beispielsweise Konzerte. Nach einer ersten Literaturrecherche konnte das Team die These ableiten, dass der Ausbau der Online-Kommunikation ein größeres Bewusstsein in der Zielgruppe für das Theater schaffen könnte. Damit ließ sich der Projektfokus klar definieren: mittels Online-Kommunikation die Hamburger Kammerspiele präsenter machen.

Eine weitere Herausforderung, der sich das Team nach Festlegung des Projektfokus stellen musste, war das Einbeziehen und Zufriedenstellen mehrerer Interessensgruppen des Projekts. Es galt, die unterschiedlichen Erwartungen an das Projekt mit dem Projektumfang in Einklang zu bringen und gleichzeitig die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe zu beachten. Diese Balance zu finden, erforderte ein tiefes Verständnis für unterschiedliche Perspektiven sowie eine flexible Herangehensweise an die Entwicklung konkreter Handlungsempfehlungen, die aus dem Projekt resultieren sollten.

Um das Projektziel zu erreichen, wurden mehrere Methoden angewendet: Die Durchführung einer umfassenden Konkurrenzanalyse baute ein grundlegendes Verständnis über die Online-Kommunikation der Hamburger Theaterlandschaft auf. Wie sieht die Online-Kommunikation anderer Kultureinrichtungen aus und unterscheidet sie sich genreübergreifend zwischen Theaterbetreibern, Comedy- oder Poetry-Veranstaltungsorten und Live-Musik-Veranstaltern?

Work in progress Kammerspiele

Work in progress - Weg zur perfekten Storyline der Präsentation

Parallel zur Wettbewerbsanalyse widmete sich das Team der Zielgruppe, den ca. 18 bis 35-Jährigen. Mittels Literaturrecherche und Online-Befragung konnte ein umfassendes Zielgruppenverständnis aufgebaut werden, angefangen beim Mediennutzungsverhalten bis hin zum Informationsverhalten über kulturelle Veranstaltungen. Die junge Zielgruppe ist vor allem online unterwegs und informiert sich insbesondere über Social Media, Empfehlungen von Freund:innen und der Familie sowie über die Webseite des Veranstalters.

Ergänzend zur Online-Befragung besuchte das Team mehrmals die Hamburger Kammerspiele, um das junge Publikum vor Ort zu befragen, wie sie auf das Stück bzw. das Theater aufmerksam geworden ist und wie es sich allgemein über Kulturveranstaltungen informiert. Im Kern wurde dort bestätigt, was aus der Online-Umfrage abgeleitet werden konnte: auch die Theatergänger in der Zielgruppe informieren sich hauptsächlich online, insbesondere über Social Media und spezielle Theaterübersichtsseiten.

In den Befragungen konnte zudem festgestellt werden, dass auch Profile von lokalen Stadtmagazinen, die vor allem auf Social Media die junge Zielgruppe ansprechen, genutzt werden, um sich über Veranstaltungen zu informieren. Daraus konnten mögliche Online-Kooperationspartner für die Hamburger Kammerspiele abgeleitet werden.

Die Ergebnisse aus der Wettbewerbsanalyse und der Zielgruppenbefragung hat das Team in konkrete Handlungsempfehlungen transferiert, zugeschnitten auf die Hamburger Kammerspiele. Diese Empfehlungen wurden zuvor fünf Bausteinen zugeordnet:

  1. Rechercheverhalten der jungen Zielgruppe: Verständnis darüber, wie die Zielgruppe bei der Suche nach Kulturveranstaltungen vorgeht und welche Kanäle sie bevorzugen
  2. Webseite: Anpassung der Webseite mit verstärkter Ausrichtung auf die User Experience, um sie zielgruppenfreundlicher zu gestalten
  3. Social-Media-Auftritt: Ausrichtung des Social-Media-Kanals auf die junge Zielgruppe durch bevorzugte Formate und ein einheitliches Design
  4. Kooperationspartner: Die Zielgruppe auch außerhalb der eigenen Kanäle erreichen
  5. Zielgruppenspezifische Angebote: Inspiration an speziellen Angeboten, die auf die Interessen und Bedürfnisse der jungen Zielgruppe zugeschnitten sind

Das Team positioniert sich klar: eine Fokussierung auf diese fünf Bausteine führt zu einer erfolgreichen und zielgruppengerechten Online-Kommunikation. Und die Online-Kommunikation ist einer von vielen Faktoren, die dazu führen können, dass wieder mehr und vor allem jüngere Menschen ins Theater gehen.

Durch das Zielgruppenverständnis und die Ausrichtung der Online-Kommunikation an ihre Bedürfnisse und Interessen, kann ein wichtiger Schritt in Richtung Verjüngung des Theaterpublikums gemacht werden. Das Praxisprojekt ist ein Beispiel dafür, wie traditionelle Kultureinrichtungen die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft meistern und neue Wege gehen, um ein junges Publikum für sich zu gewinnen.

„Der frische Blick auf die Dinge und das Theater, das war total belebend und bereichernd. Das hat große Freude gemacht, darüber nachzudenken.“ – Dietrich Wersich, Geschäftsführer Stäitsch Theaterbetriebs GmbH

Gruppenfoto Abschluss Kammerspiele

Zum Abschluss dieses spannenden Projekts bedanken wir uns herzlich bei unseren Ansprechpartnern der Stäitsch Theaterbetriebs GmbH, Jens Nitsche (Leiter Kommunikation) und Dietrich Wersich (Geschäftsführer). Wir hoffen, dass unsere Handlungsempfehlungen einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung ihrer aktuellen Herausforderung leisten können. Durch dieses Projekt haben wir nicht nur das Theaters als Freizeitaktivität für uns wiederentdeckt, sondern möchten auch andere dazu ermutigen, mehr Kulturveranstaltungen zu besuchen.