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DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT

Von Bogota nach Hamburg - oder warum Geduld eine völlig unterschätzte Tugend ist.

Gabi Neu hat 2011 ihren MBA an der HMS gemacht. Dafür wagte sie 2009 den Sprung ins kalte Wasser: Sie ließ ihre Heimat Kolumbien hinter sich und tauschte Bogota gegen Hamburg ein. Für sie galt es also nicht nur, mit den anspruchsvollen Lehrinhalten der HMS klar zu kommen, sondern sich zudem noch in einem fremden Land, in einem komplett neuen sozialen Umfeld und nicht zuletzt in einer neuer Sprache zurechtzufinden.
Auch nach dem MBA-Abschluss an der HMS ist sie der Hansestadt treu geblieben. Seitdem hatte sie Positionen bei Smartclip, Viacom und Facebook inne. Heute arbeitet sie bei Spotify.
Ich habe mit ihr darüber gesprochen, wie sich die HMS-Zeit für sie angefühlt hat, was sie aus dieser Zeit mitgenommen hat und wie sie heute auf ihren Karriereweg schaut.
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Gabi am Schreibtisch in ihrem Spotify Büro in der Hamburger Innenstadt.

Liebe Gabi,
als Du 2009 an die HMS gekommen bist, hattest Du gerade Dein Erststudium in Social Communications/ Media Studies in Deinem Heimatland Bogota beendet. Was hat Dich damals überhaupt auf die HMS gebracht?
Ich habe damals nach meinem Bachelor in Bogota ein Jahr lang als Produktionskoordinatorin bei einer Filmproduktionsfirma gearbeitet. Mit meine Hauptaufgabe war es, zu schauen, wie wir diesen Film finanzieren können. Dafür musste ich eine Break-Even-Analyse machen und war plötzlich mit Themen wie KPIs und Co. konfrontiert - und ich hatte keine Ahnung, wie das alles überhaupt geht. So habe ich mich aber erstmals mit diesen Themen auseinandergesetzt und fand es super spannend.
Ich war dann im Sommer in Wien bei meiner Großmutter zu Besuch und habe im Zuge dessen auch eine Woche in Berlin verbracht. Mein Plan war, dort nach einer Uni zu suchen, wo ich Filmproduktion studieren kann. Stattdessen bin ich auf eine Professorin gestoßen, die mir die HMS empfohlen hat.
Ich habe mir dann das Curriculum vom MBA angesehen und dachte – wow, das könnte auch total gut passen. Also habe ich eine Mail an Claudia geschrieben, die damals im Büro für Studienorganisation gearbeitet hat – und von da an hat Claudia mich nicht mehr losgelassen! Ich hatte 1000 Bedenken, vor allem wegen der Sprache. Mein Deutsch war ja damals noch nicht so gut und 80% des Studiums sind eben auf Deutsch. Ich war mir sehr unsicher, ob ich das überhaupt schaffen würde, aber Claudia hat mir immer wieder gesagt, dass sie glaubt, dass ich das packe und gut zur HMS passen würde.
Irgendwann habe ich gedacht, ok, die Inhalte des Curriculums finde ich super, Augen zu und durch jetzt! Ich hab ein One-Way Ticket nach Hamburg gebucht, um zum Assessment Center zu gehen. Und dort hat mir dann damals auch Armin Rott noch mal gesagt: „Jetzt müssen nur noch Sie das Selbstbewusstsein entwickeln an sich zu glauben, denn wir sind überzeugt, dass Sie das schaffen werden!“. Tja, und nun bin ich schon seit zehn Jahren in Hamburg!
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Als Senior Client Service Manager kümmert sich Gabi bei Spotify um Kunden-Kampagnen und strategische Partnerschaften.

Die zwei Jahre an der HMS sind glaube ich für jeden eine relativ intensive und auch arbeitsreiche Zeit. Für Dich kamen ja auch noch Aspekte hinzu wie in der deutschen Sprache noch besser zu werden und sich hier erst einmal einen Freundeskreis aufzubauen. Wie hat sich das für Dich angefühlt?
Das erste Trimester war – vor allem auch sprachlich – für mich ziemlich schwer. Aber man ist an der HMS ja so durch getaktet und vor allem auch untereinander so eng miteinander, man ist schlicht auch so viel zusammen an der Uni, dass ich immer das Gefühl hatte, ich muss das nicht alleine machen. Wir haben uns im Jahrgang alle immer gegenseitig unterstützt und zum Beispiel auch für die Klausuren zusammen gelernt.
Ich habe trotzdem zwischendurch auch mal überlegt, ob ich das überhaupt noch alles schaffe oder lieber aufhören soll. Gerade im ersten Trimester, wo es auch Klausuren gab, die ich nicht im ersten Versuch bestanden habe. Da haben mir die Gespräche mit Armin Rott oder den Mitarbeitern im Büro für Studienorganisation immer sehr geholfen, wo mir immer wieder versichert wurde, dass ich das schaffen kann.
Aber natürlich war es für mich mit der Sprache anfangs ungleich schwerer. Ich habe mir in den ersten Vorlesungen z.B. immer alles aufgeschrieben, was ich an Wörtern nicht verstanden habe, um das dann zu Hause zu googlen und die Themen nachzuarbeiten.
Ich erinnere mich noch an das erste VWL-Seminar, wo es gleich zu Beginn über 30 Minuten um das Wort „Darlehen“ ging – und ich keine Ahnung hatte, was verflixt dieses Wort bedeutet! Ich habe dann überhaupt erst abends zu Hause verstanden, was der ganze Sinn der Vorlesung war.
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Rückblickend sagt Gabi, dass es wichtig ist, zu lernen, wo man im Job auch mal geduldig sein und sich zurücklehnen muss.

Wie würdest Du rückblickend Deine Zeit an der HMS beschreiben? Was hast Du mitnehmen können?
Die zwei Jahre waren schon sehr anstrengend – aber auch richtig gut! Wir waren damals ein super Jahrgang, wir haben uns untereinander einfach gut verstanden. Viele meiner damaligen Kommilitonen sind auch heute meine engsten Freunde. Das zeigt ganz gut, was diese zwei Jahre für uns waren. Wir haben halt alles miteinander durchgemacht. Nicht nur die Klausuren und das Studium, sondern auch privat, Beziehungen, eben alles Mögliche. Und auch wenn wir uns heute nicht mehr ständig sehen, sind die 16-17 Leute, die wir damals waren, immer noch sehr wichtig für mich.
Gerade für mich war das damals ganz besonders wichtig. Ich hatte hier ja keine Familie oder Freunde. Und dann haben mich Nikola oder auch Annika und andere Kommilitonen einfach mit in ihre Familien hereingeholt und wir haben zusammen Zeit dort verbracht.
Das hatte ich so überhaupt nicht erwartet, weil man im Ausland ja oft ein anderes Bild des „distanzierten Deutschen“ hat. Das habe ich aber nie so erlebt, nicht an der HMS!
Das andere ist auch die Unterstützung durch das HMS-Team gewesen. Armin Rott, Liss Sänger, Ulf – alle haben irgendwie auf mich aufgepasst, so dass ich immer, auch bei Schwierigkeiten, das Gefühl hatte, ok, das wird schon irgendwie!
Und jetzt, viele Jahre später, kann ich sagen, was ich vor allem mitgenommen habe ist das HMS-Netzwerk!
Alle meine bisherigen Jobs sind durch HMS-Kontakte zustande gekommen.
Deshalb mache ich das auch umgekehrt total gerne. Ich telefoniere immer gern mit HMSlern, die wie ich damals auch Fragen zu meinen bisherigen Arbeitgebern oder Jobanforderungen oder Ähnlichem haben. Denn genauso habe auch ich meine Jobs bekommen oder ehrliche Informationen zu Unternehmen und Jobs bekommen, die ich so sonst nicht hätte bekommen können.
Und die letzte Sache ist, dass ich heute merke, egal vor welche Aufgabe ich in meinem Job gestellt bin, ich kann super schnell Zusammenhänge finden und mich in neue Themen einfuchsen und sie strukturiert bearbeiten. Das haben HMSler anderen oft voraus, denn ich bin mir ziemlich sicher, das kommt von den zwei Jahren fokussierter und intensiver Projekt-Arbeit an der HMS.
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Für Gabi ging es schnell viele Karrierestufen nach oben. Heute sucht sie Entwicklungsmöglichkeiten auch im eigenen Haus.

Du hast ja eine ausgeprägte Liebe zum Film, hast in Bogota schon als Produktionskoordinator in einer Filmproduktion gearbeitet, später in Hamburg bei SPIEGEL TV Dein Praktikum gemacht. Schlägt Dein Herz immer noch für die Filmbranche und hättest Du Dir auch dort eine Karriere vorstellen können? Oder anders gefragt – was gab den Ausschlag, sich noch mal in Richtung Management zu orientieren?
Mein ursprünglicher Plan war es tatsächlich, nach der HMS wieder Richtung Film und Produktion zu gehen. Ich habe mich dann auch bei Produktionsfirmen beworben. Aber mehr als unbezahlte Praktika wurden mir dort nicht angeboten.
Und dann kam eine Mail von dem damaligen EMBAler Robert Günther, der zu der Zeit bei smartclip gearbeitet hat und auf der Suche nach neuen Mitarbeitern war.
Wir haben uns dann getroffen und sofort gut verstanden und so hatte ich meinen ersten Job bei Smartclip. Und seitdem bin ich aus der Vermarktung irgendwie nicht mehr rausgekommen.
Smartclip, Viacom, Facebook und jetzt Spotify… Du hast Dich nach dem Jobeinstieg rasant weiterentwickelt und schon viele spannende Positionen innegehabt. Was hast Du aus dieser Zeit mitgenommen? Was waren so die wichtigsten Lernings und woran merkt man, wann es Zeit ist, sich neu zu orientieren?
Rückblickend würde ich sagen, dass meine größte Schwäche meine Ungeduld ist. Und ich war auch in meinen Jobs sehr ungeduldig. Von heute aus betrachtet, hätte ich bei ein paar Firmen ruhig länger bleiben können.
Ich habe das Gefühl, wir in meinem Alter und die noch jüngeren vielleicht noch extremer, denken immer, sobald ein winziges Detail nicht optimal ist, muss ich sofort den Job wechseln. Aber man muss auch manchmal etwas Geduld beweisen. Man sollte sich hier und da etwas mehr Zeit nehmen, um selbst zu lernen, wie man mit solchen Situationen umgeht oder sie auch von innen heraus verändern kann.
Für mich kann ich sagen, dass ich durch die vielen Stationen und unterschiedlichen Jobs in verschiedenen Unternehmen auch extrem viel gelernt habe.
Aber wenn es mich heute kitzelt und ich Veränderung suche oder denke, ich müsste doch mal wieder was Neues machen, dann versuche ich das erstmal innerhalb meines eigenen Unternehmens zu realisieren.
Ich schauen viel mehr auf das Big Picture. Ich schaue, wie das gesamte Unternehmen funktioniert, was andere Abteilungen machen, und gucke dann für mich, wie ich mich innerhalb der vorhandenen Strukturen neuen Themen zuwenden und weiterentwickeln und verändern kann.
Ich würde also sagen, ein großen Learning für mich war, nicht alles sofort zu wollen, sondern auch mal Geduld zu haben, damit sich die Dinge entwickeln und überhaupt passieren können.
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Raum für eigene Ideen und Impulse und viele Entwicklungsmöglichkeiten - Gabi ist bei Spotify gerade sehr zurfrieden.

Was würdest Du heutigen HMS-Studierenden mit auf den Weg geben?
Das geht in Richtung der vorherigen Antwort. Ich würde sagen, nicht aufzugeben und auch mal Geduld zu haben. Die Sachen passieren, wenn sie passieren sollen.
Wir HMSler sind schon extrem gut ausgebildet, aber das müssen wir einem Arbeitgeber ja auch erstmal zeigen und beweisen. Da spielt Geduld eine Rolle, dass Vertrauen darauf, dass die eigene Leistung dann schon auch gesehen werden wird und das Erwartete schon noch eintrifft, aber vielleicht nicht immer sofort.
Vielleicht hört man 10 mal nein, und erst beim 11 mal ein Ja.
Ich weiß auch noch, dass viele von uns damals nach dem Abschluss dachten, jetzt habe ich einen MBA, jetzt kann ich alles. Aber das stimmt eben nicht. Man hat noch so viel zu lernen, noch so viel Erfahrungen zu machen.
Und das Unternehmen muss ja auch Zeit haben, einen erst einmal kennen zu lernen und zu erkennen, welches Potenzial man wirklich hat und wie es eingesetzt und weiterentwickelt werden kann. Heute denke ich, man braucht mindestens erstmal ein bis eineinhalb Jahre, um zeigen zu können, was man überhaupt kann. Wenn man da zu früh das Handtuch wirft, gehen einem auch Entwicklungschancen verloren.
Ich wünschte mir tatsächlich, dass ich das für mich früher erkannt hätte. Ich bin überhaupt nicht unglücklich mit meiner Karriere und es ist gut so, wie es jetzt gekommen ist. Aber ich hätte mir mit etwas mehr Geduld sicherlich viel persönlichen Stress ersparen können. Denn man wird in jeder Firma etwas haben, wo es nicht zu 100% optimal ist. Es wird immer diese eine Kleinigkeit geben, die einem nicht so gut gefällt. Davor kann man gar nicht davonlaufen.
Ein ganz konkretes Beispiel vielleicht noch von mir: ich wollte immer schon Personalverantwortung haben. Und fand es immer ungerecht, dass mir in jeder Firma gesagt wurde, das ginge nicht, weil ich ja noch keine Personalerfahrung habe. Denn wie soll ich die bekommen, wenn ich nie die Chance erhalte, das zu lernen?
Aber inzwischen weiß ich, man muss erstmal die Skills finden und sich aneignen, die man braucht, um die Ziele zu erreichen, die man hat.
Man muss also in mindestens zwei Schritten denken und erstmal schauen, wie man diese Skills und Tools sich aneignen kann, um dann das eigentliche Ziel in einem weiteren Schritt erreichen zu können. Das wird einem aber keiner einfach so geben oder schenken können, dass muss man sich schon selbst erarbeiten. Und das braucht manchmal auch Zeit und Geduld.
Liebe Gabi, vielen lieben Dank, dass wir heute hier bei Dir vorbeikommen durften und vor allem für Deine ehrlichen Antworten!
Und jetzt noch die Basic Facts zu Gabi:
BASIC FACTS
Dein Arbeitgeber:
Spotify
Dein genauer Jobtitel:
Senior Client Service Manager
Was genau sind Deine Aufgaben?
Wir vermarkten Spotify Free. Wir haben auf Spotify Free Werbeplätze, die wir verkaufen. Mein Job ist es, vor allem mit Daten und Insights unsere Kunden zu überzeugen, bei uns zu werben. Dabei betreue ich auch strategische Kunden. Bei solchen Kunden schauen wir, wie wir mit ihnen gemeinsam über die einzelne Kampagne hinaus wachsen können.
Was macht den Job für Dich interessant?
Die Vielfältigkeit. Ich mache nicht nur eine Sache, sondern bin in eine Vielzahl von Themen und Bereichen involviert – das macht es spannend. An Spotify finde ich außerdem besonders gut, dass mir die Möglichkeit und Freiheit gegeben wird, einen großen Teil meiner Zeit auch in Projekten zu arbeiten, die für mich wichtig sind. Natürlich muss ich meinen operativen Job gut machen und meine Kunden voll zufrieden stellen. Aber wenn ich eine Idee habe, wie ich z.B. einen Prozess optimieren kann oder einen Service besser machen kann, dann sind hier die Türen und Ohren offen und man kann auch solche Projekte umsetzen.
Was hast Du an der HMS gelernt, was Du im Joballtag nutzen kannst?
Vieles. Aber vor allem dieses super schnell in neue Projekte und Aufgaben reinkommen können. Zu wissen, was sind die wichtigsten Schritte, wie strukturiere ich mein Projekt, wie messe ich, ob es funktioniert hat oder nicht.
Und tatsächlich auch die Rechtsvorlesungen. Sowohl inhaltlich, als auch weil sie einen lehren, noch mal ganz anders und strukturierter an Probleme heranzugehen und sie anders zu denken.
Welche aktuellen Entwicklungen im Bereich Digitales und/oder der Medienbranche findest Du gerade besonders spannend?
Podcast! Nicht, weil ich gerade bei Spotify arbeite. Aber weil es so viele Wellen davon gab. Vor zehn Jahren gab es das schon und hat sich damals nicht wirklich durchgesetzt, und nun kommt es mit Macht. Das finde ich von der inhaltlichen Seite spannend, aber auch von der Seite der Vermarktung und neuer Geschäftsmodelle her gedacht.
Wohin soll die Reise für Dich noch gehen? Welche Herausforderungen willst Du noch angehen?
Ich fände es spannend, in noch größeren strategischen Projekten zu arbeiten. Also noch mehr im Big Picture zu arbeiten und weniger Kampagnen und Kundengetrieben. Also eher die Frage: Wie kann ich die Welt verändern! (lacht)