Economics of Media Bias – unter diesem Titel wurde in der vergangenen Woche ein internationaler Forschungs-Workshop an der HMS durchgeführt. An zwei Tagen diskutierten Ökonomen aus New York, Barcelona, Hong Kong und anderen Städten über die Formen, Ursachen und Konsequenzen von verzerrter Berichterstattung. Andreas Wrede hat den Initiator des Workshops, Marcel Garz, dazu befragt.
Marcel, das Thema wird doch schon seit Hundert Jahren in den Kommunikations- und Medienwissenschaften untersucht. Warum beschäftigen sich seit neuestem auch Ökonomen damit?
Die Erkenntnis, dass in den Nachrichten die Unwahrheit verbreitet wird, wichtige Ereignisse keine Erwähnung finden oder die Berichterstattung eine politische Färbung aufweist, ist natürlich nicht neu. Allerdings haben wir es hier mit einem Markt zu tun, wo Angebot und Nachfrage, also Nachrichtenmacher und Nachrichtenkonsumenten aufeinander treffen. Und hier kommen die Volkswirte ins Spiel: Mit Hilfe ökonomischer Analysetechniken lassen sich nämlich ganz neue Erkenntnisse gewinnen.
Zum Beispiel?
Ein gutes Beispiel ist die Messung, also Quantifizierung von Media Bias. Amerikanische Ökonomen haben dafür zunächst mit Hilfe von Text-Mining-Programmen die Gesprächsprotokolle der Sitzungen von Senat und Repräsentantenhaus ausgewertet und nach charakteristischen Phrasen durchsucht. Republikaner sprechen etwa viel häufiger vom „war on terror“, während Demokraten öfter über „health care“ reden. Im nächsten Schritt wurde ermittelt, wie häufig bestimmte Medien dieselben Phrasen in ihrer Berichterstattung benutzen. Auf dieser Basis konnten Rankings über die ideologische Verortung der Medien erstellt werden; darin lässt sich ablesen, wie liberal die New York Times ist, oder wie konservativ das Wall Street Journal schreibt.
Und wo genau setzen die Tools der Ökonomen an?
Insbesondere bei der Frage nach Ursache und Wirkung. Weist die New York Times deshalb einen liberalen Bias auf, weil sich die politischen Ansichten der Journalisten, Redakteure oder Unternehmenseigner in der Berichterstattung widerspiegeln? Oder hat es eher damit etwas zu tun, dass die Leserschaft der New York Times als liberal gilt? Um die kausale Beziehung zweifelsfrei identifizieren zu können, reicht ein Blick auf statistische Korrelationen oder Regressionskoeffizienten aber leider nicht aus. Ökonomen greifen stattdessen auf Dinge wie natürliche Experimente oder Placebo-Schätzungen zurück. Und dann zeigt sich, dass politische Färbungen in der Berichterstattung häufig mit Konsumentensouveränität erklärt werden müssen: Willst du als Nachrichtenmedium erfolgreich sein, musst du das schreiben, was deine Leser hören wollen.
Existieren solche Untersuchungen auch für die deutsche Medienlandschaft?
Kaum. Zumindest in empirischer Hinsicht sind die USA in diesem Bereich mal wieder Vorreiter. Dort hat man es aber auch vergleichsweise leicht, im Prinzip gibt es ja nur zwei Parteien. In den meisten europäischen Ländern haben sich allerdings Mehrparteien-Systeme etabliert. Dies erschwert die Forschung etwas, aber wir arbeiten daran.
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