Dr. Jeanne Rubner, DJF-Alumna, Physikerin und Wissenschaftsjournalistin, ist vom Bayerischen Rundfunk zur Technischen Universität München (TUM) gewechselt und fungiert dort ab sofort als Vice President Global Communication and Public Engagement. In unserem „Fünf Fragen“-Interview spricht Jeanne über den Auftrag der Wissenschaftskommunikation und erklärt, warum Transparenz dabei immer wichtiger wird.
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„Wissenschaft muss sich der Gesellschaft stärker öffnen"
Jeanne Rubner, an der TUM verantwortest du als Vice President Global Communication and Public Engagement die Wissenschaftskommunikation der Universität. Was bedeutet das genau?
Jeanne Rubner: Es bedeutet zunächst einmal, dass die TUM Kommunikation und den Dialog mit der Gesellschaft wichtig findet. Diesen Posten gab es bisher nicht – das ist ein Signal: Wir wollen mehr und besser kommunizieren. An einer Universität wird sehr viel Wissen produziert. Dieses Wissen sichtbar zu machen, zugängig, verständlich – darum geht es uns. Das bedeutet auch, dass wir die Wissenschaftler*innen befähigen wollen, offen und transparent zu kommunizieren. Und nicht zuletzt stärker in einen Dialog mit der Gesellschaft zu treten, also fragen: Was erwartet Ihr von der Wissensmaschine Universität?
Immer mehr Journalist*innen arbeiten in Kommunikationsabteilungen der Universitäten. Warum ist das so?
Jeanne Rubner: Journalist*innen haben erstens gelernt, wann sie welche Informationen und Inhalte platzieren können. Zweitens sollten sie idealerweise Sachverhalte analysieren und kritisch sowie transparent arbeiten. Beides ist für die Wissenschaftskommunikation heute nötig. Denn Universitäten haben erkannt, dass Wissenschaftskommunikation mehr ist als die Aufgabe eines Pressesprechers. Und darum muss Wissenschaftskommunikation heutzutage auch mehr leisten, als eine Pressemitteilung mit einem Studienergebnis herauszugeben.
Was heißt das genau? Wie sieht moderne Wissenschaftskommunikation aus?
Jeanne Rubner: Die Zeit ist vorbei, in der Presseabteilungen von Universitäten Mitteilungen schreiben, die titeln „Studie beweist: Medikament hilft gegen Krankheit XY“. Wir brauchen in der Kommunikation eine Kontextualisierung, die eine ganzheitliche Betrachtung und eine kritische Analyse beinhaltet. Wir müssen uns als Kommunikatoren immer die Frage stellen, was Ergebnisse wirklich aussagen, wo die Grenzen der Erkenntnisse liegen. Das ist für mich der Unterschied zu einer Wissenschafts-PR. Hinzu kommt, dass wir – ähnlich wie die Medien – vielfältige Kanäle nutzen müssen, um verschiedene Zielgruppen zu erreichen. Zum Beispiel: Wir relaunchen gerade einmal wieder unsere Webseite, die erste und wichtigste Anlaufstelle, für alle, die sich über die TUM informieren wollen, wir bauen Social Media Angebote aus.
Das ist ein hoher Anspruch. Ist dieser in den vergangenen Jahren in der (Wissenschafts-) Kommunikation gewachsen oder neu?
Jeanne Rubner: Tatsächlich ist der Anspruch sehr hoch – und es natürlich wird immer wieder Mitteilungen geben, die dem nicht gerecht werden. Aber wir müssen uns hohe Maßstäbe setzen. Denn wir verkaufen in der Wissenschaftskommunikation ja kein Produkt. Wir teilen Wissen in einem globalen System, das auch das Leben der Menschen verbessern soll. Der sogenannte purpose
der Wissenschaft ist der Erkenntnisgewinn und, etwas pathetisch gesagt, der gesellschaftliche Fortschritt. Und diesen gesellschaftlichen Auftrag wollen und sollten wir immer transparent machen. Kommunikation als kritische Begleitung der Forschung ist nicht neu - aber die Corona-Pandemie und das breite öffentliche Interesse an Wissenschaft hat dieser Entwicklung einen Schub gegeben.
Wie genau sieht der gesellschaftliche Auftrag der Universität aus?
Jeanne Rubner: Ich sehe die Universität als gesellschaftlichen Akteur. Dabei geht es nicht darum, der Bevölkerung zu sagen: Wir erklären euch, was gut für euch ist! Von dieser Haltung müssen wir weg. Das gelingt über mehrere Wege:
- Die Universität bildet Menschen aus und bietet heutzutage zunehmend Möglichkeiten, sich über ein Studium hinaus fortzubilden, auch später im Berufsleben.
- Die Forschung kann Menschen ganz bewusst einbinden – Stichwort „citizen science“, also Bürger-Wissenschaft. In der Medizin schafft man Beteiligung auch, indem man Patientenverbände bei Therapieansätzen einbezieht. Es ist durchaus möglich, die Agenda der Wissenschaft gemeinsam mit gesellschaftlichen Gruppen zu diskutieren. Ein solcher Dialog schafft Transparenz.
- Die Universität als Wissensmaschine schafft auch Innovationen, Ideen für neue Produkte, für neue Unternehmen – Studierende und Forschende bei Firmengründungen zu unterstützen, das ist sehr wichtig.
- Nicht zuletzt sollte eine Universität in die Politik hineinwirken, sie bei Entscheidungen beraten, mit Studien unterstützen. Wie wichtig das ist, haben wir ja in der Pandemie gesehen.
Am Ende ist für mich klar: Wissenschaft lebt nicht in ihrem eigenen Universum, sondern muss sich stärker der Gesellschaft öffnen, sich einmischen. Davon profitieren alle.